Erkennbarkeit des Vergaberechtsverstoßes: Auf den konkreten Bieterkreis kommt es an

Die 2. Vergabekammer Sachsen-Anhalt befasst sich in einem Beschluss mit den Anforderungen an die Erkennbarkeit eines Vergaberechtsverstoßes i. S. v. § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB. Die Entscheidung betrifft ein Verfahren zur Vergabe von Planungsleistungen im Rahmen der Genehmigungs- und Ausführungsplanung, der Vorbereitung, Begleitung und Ausgestaltung der Vergabe der Bauleistung, der Objektüberwachung sowie Objektbetreuung und Dokumentation für die Errichtung eines Breitbandnetzes als Rahmenvereinbarung. Gesucht wurde ein Planungsbüro, das die Vergabe von Bauleistungen für ein passives Breitbandnetz vorbereiten sollte.

Von dem späteren Auftragnehmer wurden u. a. folgende Leistungen verlangt:

– Erstellung des Vertragsentwurfes für den Bau unter Berücksichtigung etwaiger bautechnisch zu beachtender Besonderheiten;

– Mitwirkung bei der Prüfung der Angebote in Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber und weiteren fachlich Beteiligten, insbesondere rechnerische und technische Prüfung der Angebote;

– Prüfung auf technische und tatsächliche Leistungsfähigkeit;

– wirtschaftliche Prüfung;

– Erstellen der entsprechenden Vermerke und Dokumentation des Vergabeverfahrens;

– Beantwortung von Bieterfragen im Falle eines bautechnischen Bezuges;

– Durchführung von Aufklärungsgesprächen;

– Ausarbeitung eines Vergabevorschlages mit ausführlicher Begründung, Dokumentation des gesamten Vergabeverfahrens;

– Abgleich der Angebotsergebnisse mit der ermittelten Kostenberechnung;

– Erstellung der Unterlagen zur Übermittlung an die Fördermittelgeber für die Anträge auf endgültige Bewilligung der Fördermittel;

– Erstellung der Unterlagen zur Übermittlung an die Fördermittelgeber für die Antragskonkretisierungen.

Ein Bieter, dessen Angebot nicht angenommen werden sollte, wandte sich mit einem Nachprüfungsantrag gegen die Zuschlagsentscheidung des Auftraggebers. Der Bieter machte dabei u. a. geltend, dass der Auftraggeber gegen das Gebot der Fachlosvergabe (§ 97 Abs. 4 Satz 2 GWB) verstoßen habe, weil er Ingenieurleistungen und Rechtsberatungsleistungen gemeinsam vergeben wolle. Ein Planungsbüro sei zu Rechtsberatungsleistungen weder berechtigt noch verpflichtet. „Erkennbarkeit des Vergaberechtsverstoßes: Auf den konkreten Bieterkreis kommt es an“ weiterlesen

Rügeobliegenheit im Vergabeverfahren: Bieter muss die Vergabeunterlagen innerhalb von zwei Wochen prüfen

Eine Entscheidung der 2. Vergabekammer Sachsen-Anhalt befasst sich mit der Frist zur Erhebung einer Rüge im Vergabeverfahren. Die Entscheidung betrifft die Vergabe eines Dienstleistungsvertrages über Unterhalts-, Grund- und Fensterreinigungen in öffentlichen Gebäuden und in Kindereinrichtungen nach den Bestimmungen der VgV. Die Vergabeunterlagen enthielten u. a. Vorgaben zu Tariflöhnen, die nicht mehr dem aktuellen Stand entsprachen. Ein Bieter rügte einen Tag vor Ablauf der Angebotsfrist, dass die Vorgaben zu den Tariflöhnen nicht mehr aktuell seien und dass es ihm daher nicht möglich sei, ein ordnungsgemäßes Angebot zu kalkulieren. Bereits mehrere Wochen zuvor hatte der Geschäftsführer des Bieters telefonisch beim Auftraggeber weitere Beanstandungen hinsichtlich der Vergabeunterlagen vorgebracht, die zu einer Überarbeitung der Unterlagen geführt hatten; auf die Tariflöhne  hatte er sich dabei aber nicht bezogen. „Rügeobliegenheit im Vergabeverfahren: Bieter muss die Vergabeunterlagen innerhalb von zwei Wochen prüfen“ weiterlesen

Akteneinsicht im Vergabeverfahren: auch im Unterschwellenbereich?

Eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln erörtert die Möglichkeit eines Bieters, bei Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich Einsicht in die Vergabeakten zu nehmen. Der Entscheidung liegt die Vergabe eines Auftrags über Bauleistungen für ein Krankenhaus zugrunde. Der Auftraggeber teilte einem unterlegenen Bieter zunächst mit, dass der Zuschlag auf das Nebenangebot eines anderen Bieters erteilt werden solle. Einige Zeit später stellte der unterlegene Bieter fest, dass auf der Baustelle nicht der ihm genannte Bieter, sondern eine Bietergemeinschaft aus anderen Unternehmen tätig war. Er mutmaßte daher einen Vergaberechtsverstoß und begehrte beim Auftraggeber Einsicht in bestimmte Unterlagen aus der Vergabeakte. Auf dieser Grundlage wollte er die Möglichkeit, Schadensersatz wegen des Nichterhalts des Auftrags geltend zu machen, prüfen. „Akteneinsicht im Vergabeverfahren: auch im Unterschwellenbereich?“ weiterlesen

Rüge im Verhandlungsverfahren: Bloßer Änderungswunsch genügt nicht

Das Oberlandesgericht Düsseldorf erörtert in einer aktuellen Entscheidung die Anforderungen, die an die Erhebung einer Rüge im Verhandlungsverfahren zu stellen sind.

Die Entscheidung bezieht sich auf ein Vergabeverfahren zur Erbringung von Bauleistungen zur betriebsbereiten und funktionsfähigen Errichtung von Schachtförderanlagen. Das Verfahren wurde als Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb durchgeführt. Ein Bieter störte sich an einer Regelung in den Zusätzlichen Vertragsbedingungen (ZVB) des Auftraggebers, nach der der Auftraggeber berechtigt ist,  Zahlungen wegen Ansprüchen und Forderungen zurückzuhalten oder aufzurechnen, die ihm aus anderen Rechtsgeschäften mit dem Auftragnehmer oder aus sonstigen Gründen gegen den Auftragnehmer zustehen. Auf der Grundlage eines indikativen Angebots führten der Auftraggeber und der Bieter ein Verhandlungsgespräch durch, in dessen Rahmen auch diese Klausel der ZVB zur Sprache kam. Der Bieter empfand sie als zu weitreichend, weil er aus einem früheren Vertragsverhältnis Schadensersatzforderungen des Auftraggebers ausgesetzt war. Im Nachgang zu dem Verhandlungsgespräch übersandte der Bieter dem Auftraggeber eine dahingehende Änderungsbitte, die allerdings unbeantwortet blieb. Sein verbindliches Angebot versah der Bieter daraufhin mit der Anmerkung, dass die Klausel in den ZVB nur für Ansprüche gelten solle, die aus dem jetzt zu vergebenden Vertrag resultierten. „Rüge im Verhandlungsverfahren: Bloßer Änderungswunsch genügt nicht“ weiterlesen

Dringlichkeitsvergabe: Wirtschaftliche Gründe genügen nicht für ein Absehen von Wettbewerb

Eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf befasst sich mit den Voraussetzungen, unter denen ein Auftrag im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb vergeben werden darf. Die Entscheidung betrifft die Interimsvergabe von Trockenbauleistungen im Rahmen eines Bauvorhabens zur Errichtung eines Klinikneubaus. Ein zunächst ausgeschriebener und vergebener Vertrag wurde wegen Streitigkeiten um Verzögerungen in der Bauausführung gekündigt. Der Auftraggeber führte sodann zunächst erfolglos ein weiteres Vergabeverfahren zur Vergabe der Restleistungen durch und vergab sodann einen Teil der Restleistungen als Ersatzvornahme ohne vorangehendes Vergabeverfahren mit der Begründung, dass  andernfalls weitere Bauverzögerungen drohten. „Dringlichkeitsvergabe: Wirtschaftliche Gründe genügen nicht für ein Absehen von Wettbewerb“ weiterlesen

Probleme mit der E-Vergabe: Sache des Bieters?

Das Oberlandesgericht Düsseldorf befasst sich in einem Beschluss mit Fragen der Nutzung der E-Vergabe. Die Entscheidung betrifft ein Vergabeverfahren nach den Bestimmungen der SektVO zur Beschaffung von Seilfahrwinden und Bühnenwinden für die Verfüllung eines Schachts im Bergbau. Ein Bieter im Vergabeverfahren hatte ein Angebot über die elektronische Vergabeplattform abgegeben, das jedoch den Auftraggeber nicht vollständig erreichte. Es fehlte das Preisblatt. Dieses hatte der Auftraggeber jedoch gefordert. Der Grund für die fehlende Übermittlung des Preisblatts war unklar; der Bieter berief sich auf technische Schwierigkeiten bei der Bedienung der elektronischen Vergabeplattform.

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Welche Aufgaben darf der Auftraggeber auf externe Berater übertragen?

Eine aktuelle Entscheidung der Vergabekammer Thüringen befasst sich u. a. mit der Frage, welche Aufgaben der Auftraggeber im Vergabeverfahren auf externe Berater übertragen darf. Die Entscheidung betrifft die Vergabe von Bauleistungen zur Sanierung eines Landestheaters. Nach Abgabe der Angebote hob der öffentliche Auftraggeber die Ausschreibung auf, weil das einzige abgegebene Angebot unangemessen hoch sei.

Der gegen die Aufhebung gerichtete Nachprüfungsantrag des Bieters hatte mit dem Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Aufhebung Erfolg. Neben einer fehlerhaft, weil nicht hinreichend sorgfältig erstellten Kostenschätzung beanstandete die Vergabekammer auch einen Ausfall des Ermessens des Auftraggebers hinsichtlich der Entscheidung, das Vergabeverfahren aufzuheben. In diesem Zusammenhang ging die Vergabekammer auch auf die Mitwirkung eines vom Auftraggeber beauftragten Planungsbüros an dem Vergabeverfahren ein und kritisierte das Ausmaß dieser Mitwirkung. „Welche Aufgaben darf der Auftraggeber auf externe Berater übertragen?“ weiterlesen

Funktionslosigkeit des Baunutzungsplans: einige klärende Worte des OVG

Die Diskussion um die Funktionslosigkeit einzelner Festsetzungen des Baunutzungsplans für Berlin ist durch zwei Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg um einige wesentliche Aspekte reicher geworden. Zahlreiche Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Berlin hatten zuvor einzelne Festsetzungen des Baunutzungsplans, der im ehemaligen Westteil Berlins als übergeleiteter Bebauungsplan fortgilt, als funktionslos und damit als unwirksam erachtet. Sie sind nun in einem neuen Licht zu betrachten. „Funktionslosigkeit des Baunutzungsplans: einige klärende Worte des OVG“ weiterlesen

Bußgeld wegen unterlassener Mitteilung an das Transparenzregister: Wann liegt Leichtfertigkeit vor?

Seit 2017 besteht eine Pflicht zur Mitteilung von Angaben zu den wirtschaftlich Berechtigten an das Transparenzregister. Diese Meldepflicht, die sich aus den §§ 20 f. GwG ergibt, trifft juristische Personen des Privatrechts (z. B. AG, GmbH) ebenso wie eingetragene Personengesellschaften, Trusts und bestimmte weitere Rechtsgestaltungen.  Wird eine Meldung nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig vorgenommen, stellt dies eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 56 GwG dar, die mit einem Bußgeld geahndet werden kann. „Bußgeld wegen unterlassener Mitteilung an das Transparenzregister: Wann liegt Leichtfertigkeit vor?“ weiterlesen

Auch bei E-Vergabe: Rüge per Telefax ist zulässig

Auch in Vergabeverfahren, die mit elektronischen Mitteln durchgeführt werden, kann eine Rüge in zulässiger Weise per Telefax erhoben werden. Das hat die Vergabekammer Thüringen in einer Entscheidung betreffend ein Nachprüfungsverfahren im Bereich der VgV entschieden.

Die Entscheidung betraf die Vergabe eines Lieferauftrags über Lieferung, Montage und Aufstellung von Möbeln im offenen Verfahren. Gemäß § 9 VgV wurde das Vergabeverfahren mit elektronischen Mitteln als E-Vergabe unter Nutzung einer elektronischen Vergabeplattform durchgeführt. Ein Unternehmen sah sich auf Grund eines Verstoßes gegen das Gebot der produktneutralen Ausschreibung an der Abgabe eines Angebots gehindert und erhob daher eine Rüge gegenüber dem Auftraggeber. Diese versandte er ausschließlich per Telefax. Der Auftraggeber bestätigte den Eingang des Schreibens, ohne allerdings die Rüge inhaltlich zu beantworten. Vielmehr wies er den Rügeführer darauf hin, dass die Kommunikation innerhalb des Vergabeverfahrens ausschließlich über die elektronische Vergabeplattform zu erfolgen habe und Anfragen über einen anderen Kommunikationsweg nicht beantwortet würden. „Auch bei E-Vergabe: Rüge per Telefax ist zulässig“ weiterlesen