Dringlichkeitsvergabe: Wirtschaftliche Gründe genügen nicht für ein Absehen von Wettbewerb

Eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf befasst sich mit den Voraussetzungen, unter denen ein Auftrag im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb vergeben werden darf. Die Entscheidung betrifft die Interimsvergabe von Trockenbauleistungen im Rahmen eines Bauvorhabens zur Errichtung eines Klinikneubaus. Ein zunächst ausgeschriebener und vergebener Vertrag wurde wegen Streitigkeiten um Verzögerungen in der Bauausführung gekündigt. Der Auftraggeber führte sodann zunächst erfolglos ein weiteres Vergabeverfahren zur Vergabe der Restleistungen durch und vergab sodann einen Teil der Restleistungen als Ersatzvornahme ohne vorangehendes Vergabeverfahren mit der Begründung, dass  andernfalls weitere Bauverzögerungen drohten.

Auf den Nachprüfungsantrag des Auftragnehmers, der den ursprünglichen Auftrag erhalten hatte, stellte die Vergabekammer Rheinland fest, dass der ohne Vergabeverfahren geschlossene Vertrag unwirksam ist. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Auftraggebers hatte keinen Erfolg.

Gemäß §  3a Abs. 3 Nr. 4 VOB/A-EU kann ein Auftrag im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb vergeben werden, wenn wegen der äußersten Dringlichkeit der Leistung aus zwingenden Gründen infolge von Ereignissen, die der öffentliche Auftraggeber nicht verursacht hat und nicht voraussehen konnte, die an sich vorgeschriebenen Fristen für das Vergabeverfahren nicht eingehalten werden können. Diese Voraussetzungen sah das Oberlandesgericht Düsseldorf hier nicht als erfüllt an. Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass dringliche und zwingende Gründe nur bei akuten Gefahrensituationen und höherer Gewalt in Betracht, wenn zur Vermeidung von Gefahren und Schäden für Leib und Leben ein sofortiges, die Einhaltung von Fristen ausschließendes Handeln erforderlich ist. Wirtschaftliche Erwägungen hingegen genügen regelmäßig nicht, um die Dringlichkeit in diesem Sinne zu belegen. Hier hatte sich der Auftraggeber im Wesentlichen auf nachteilige Folgen einer ausbleibenden Vergabe für den weiteren Bauablauf berufen. Dies hielt das Gericht nach diesen Maßgaben jedoch nicht für ausreichend. Einen im Beschwerdeverfahren nachgeschobenen Vortrag des Auftraggebers, wonach bei einer Verzögerung des Neubaus eine Unterbrechung der medizinischen Versorgung drohe, konnte er nicht hinreichend substantiieren.

Die Entscheidung belegt einmal mehr die hohen Anforderungen, die an eine Dringlichkeitsvergabe zu stellen sind. Diese sind nur in den seltensten Fällen erfüllt.

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20. Dezember 2019, VII-Verg 18/19

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