Das Oberlandesgericht Karlsruhe befasst sich in einer aktuellen Entscheidung mit den Anforderungen an die Textform bei elektronischer Vergabe. Der Entscheidung liegt ein Vergabeverfahren zur Beschaffung von Fassaden- und Sonnenschutzarbeiten im Rahmen eines Sanierungsvorhabens zugrunde. Das Verfahren wurde gemäß den Bestimmungen des Abschnitts 2 der VOB/A (VOB/A-EU) als elektronische Vergabe geführt. Die Angebote mussten in Textform eingereicht werden. Die Vergabeunterlagen enthielten u. a. ein Angebotsschreiben, das von den Bietern auszufüllen war und das verschiedene Erklärungen insbesondere zur Bindung des Bieters an das Angebot enthielt. Das Formblatt endete mit einem Feld, in dem bei einem elektronisch übermitteltem Angebot in Textform der Name der natürlichen Person, die die Erklärung abgab, angegeben werden musste. Ein Bieter beteiligte sich an dem Vergabevefahren und reichte Angebotsunterlagen über die elektronische Vergabeplattform ein. Das Angebotsschreiben war seinem Angebot jedoch nicht beigefügt. Der Auftraggeber schloss das Angebot deshalb aus.
Der hiergegen gerichtete Nachprüfungsantrag hatte vor der Vergabekammer Baden-Württemberg keinen Erfolg. Den in der Beschwerdeinstanz gestellten Antrag des Bieters auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung lehnte das Oberlandesgericht Karlsruhe ab. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass die sofortige Beschwerde keine Aussicht auf Erfolg habe. Der Ausschluss des Angebots sei nach den §§ 16 EU Abs. 1 Nr. 2, 13 EU Abs. 1 Nr. 1 S. 1, 11 EU Abs. 4 VOB/A 2019 zu Recht erfolgt. Der Auftraggeber habe bei Durchführung einer elektronischen Vergabe gemäß § 11 EU Abs. 4 VOB/A 2019 für die Abgabe der Angebote die Textform gemäß § 126b BGB vorgeschrieben. Dies verlange, dass die Erklärung in einer Urkunde oder auf andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeigneten Weise abgegeben werde. Dabei müsse die Person des Erklärenden genannt und der Abschluss der Erklärung durch Nachbildung der Namensunterschrift oder anders erkennbar gemacht werden.
Diese Anforderungen an die Textform sah das Gericht mangels Einreichung eines Angebotsschreibens nicht als erfüllt an. Es sei kein Name des Erklärenden genannt und auch ein Abschluss der Erklärung nicht kenntlich gemacht worden. Zwar erwog das Gericht, ob die an anderer Stelle des Angebots enthaltene Wiedergabe des Bieternamens so verstanden werden könnte, dass der Bieter den gesamten Angebotsinhalt rechtsverbindlich erklären wolle. Letztlich fehlte es aber daran nach der Auffassung des Gerichts, da der Auftraggeber gerade das Angebotsschreiben als verbindliche, das elektronisch abgegebene Angebot insgesamt umfassende Erklärung vorgesehen habe. Diese war dem Angebot jedoch nicht beigefügt. Eine Angebotserklärung des Bieters, die der Auslegung nach den §§ 133, 157 BGB zugänglich sein könnte, vermochte das Gericht daher nicht zu erblicken.
Auch erwog das Gericht, ob in der Anforderung, dass das Angebotsschreiben den Namen der natürlichen Person, die die Erklärung abgebe, enthalten musste, eine unzulässige Verschärfung der Anforderungen an die Textform liegen könnte. Die bei elektronischer Vergabe gemäß § 11 EU Abs. 4 VOB/A zu wahrende Textform verlange nämlich nur die Nennung der Person des Erklärenden (§ 126b BGB), nicht hingegen den Namen der natürlichen Person, die die Erklärung abgebe. Im Ergebnis blieb dies aber offen. Einen dahingehenden Verstoß hatte die Antragstellerin nämlich nicht innerhalb der Frist gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB gerügt, obwohl die darin liegende Abweichung von den gesetzlichen Anforderungen an die Textform nach der Auffassung des Gerichts erkennbar war.
Eine Nachforderung des fehlenden Angebotsschreibens gemäß § 16 EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A 2019 hielt das Gericht schon deshalb für ausgeschlossen, weil das Angebot nicht formgerecht abgegeben war.