Wie man es vollbringt, sich als Bieter sicher der Möglichkeit eines Nachprüfungsverfahrens zu begeben, zeigt eine aktuelle Entscheidung der 2. Vergabekammer des Bundes. „VK Bund: Rüge darf nicht Bestandteil des Angebots sein“ weiterlesen
OLG Düsseldorf: Keine Ermäßigung der Gerichtsgebühren bei Beschwerderücknahme nach Hängebeschluß im Eilverfahren
Das OLG Düsseldorf befaßt sich in einem aktuellen Beschluß mit Fragen der Gebührenberechnung im Eilverfahren nach Erhebung der sofortigen Beschwerde im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren. Unterliegt der Antragsteller vor der Vergabekammer und erhebt er hiergegen sofortige Beschwerde, ist in vielen Fällen zugleich ein Eilantrag nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB zu stellen. Dieser zielt auf die Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde bis zu einer Entscheidung über diese. Wird ein solcher Antrag nicht gestellt, kann dies bei Zuschlagsreife des Vergabeverfahrens dazu führen, daß der Auftraggeber noch während des laufenden Beschwerdeverfahrens den Zuschlag erteilt und dem Nachprüfungsantrag damit die Grundlage entzieht. „OLG Düsseldorf: Keine Ermäßigung der Gerichtsgebühren bei Beschwerderücknahme nach Hängebeschluß im Eilverfahren“ weiterlesen
EuGH zur Antragsbefugnis des ausgeschlossenen Bieters
Kann ein ausgeschlossener Bieter mittels eines Nachprüfungsantrags die Überprüfung des einzigen noch im Verfahren verbleibenden Angebots verlangen? Der EuGH hat die Frage in einem aktuellen Urteil bejaht und damit seine Rechtsprechung aus den Entscheidungen Fastweb I (Urt. v. 4. Juli 2013, Rs. C-100/12) und Technische Gebäudebetreuung und Caverion Österreich (Urt. v. 21. Dezember 2016, Rs. C-355/15) fortgeschrieben. Das Urteil betraf ein Vorabentscheidungsersuchen der polnischen Nationalen Beschwerdekammer, dem ein Vergabeverfahren über die Digitalisierung eines geologischen Archivs zugrunde lag. Im Verfahren gingen lediglich zwei Angebote ein, von denen eines wegen Nichterfüllung der Vorgaben des Auftraggebers ausgeschlossen wurde. Der unterlegene Bieter wandte sich einerseits gegen den Ausschluß des eigenen Angebots, andererseits gegen den Zuschlag auf das Angebot des Konkurrenten. „EuGH zur Antragsbefugnis des ausgeschlossenen Bieters“ weiterlesen
Wer trägt die Kosten, wenn sich der Nachprüfungsantrag erledigt?
Erledigt sich ein Nachprüfungsantrag vor einer Entscheidung der Vergabekammer durch Rücknahme oder auf andere Weise, so trifft die Vergabekammer gemäß § 182 Abs. 3 S. 5 GWB eine Entscheidung über die Kosten der Vergabekammer nach billigem Ermessen. Ebenfalls nach billigem Ermessen wird darüber entschieden, wer in einem solchen Fall die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen anderer Beteiligter zu tragen hat. Dies folgt aus § 182 Abs. 4 S. 3 GWB, einer Regelung, die mit der Vergaberechtsreform 2016 neu ins GWB gelangt ist. Der Maßstab für die Verteilung der Kosten der Vergabekammer und der Aufwendungen der Verfahrensbeteiligten ist damit identisch. „Wer trägt die Kosten, wenn sich der Nachprüfungsantrag erledigt?“ weiterlesen
Vergabenachprüfungsstatistik 2016 veröffentlicht
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) hat die Statistik über die im Jahr 2016 geführten Nachprüfungsverfahren veröffentlicht. Die Statistik wird auf der Grundlage der Daten erstellt, die die Vergabekammern und Oberlandesgerichte gemäß § 184 GWB bis zum 31. Januar eines jeden Jahres dem BMWi zu liefern haben. Die jetzt für die Vergabekammern und Oberlandesgerichte veröffentlichten Zahlen geben aufschlussreiche Einblicke in die Arbeit der Nachprüfungsinstanzen. „Vergabenachprüfungsstatistik 2016 veröffentlicht“ weiterlesen
Seminarreihe zum Umgang mit Rügen und Nachprüfungsverfahren
In Zusammenarbeit mit dem Institut für Kommunalberatung (IfKB) veranstaltet Dr. Sebastian Conrad eine Seminarreihe zum Umgang mit Rügen und Nachprüfungsverfahren. Die Seminarreihe wurde für Auftraggeber konzipiert, für die Rügen und Nachprüfungsverfahren häufig besondere Herausforderungen darstellen. „Seminarreihe zum Umgang mit Rügen und Nachprüfungsverfahren“ weiterlesen
VK Bund: Antragsfrist im Nachprüfungsverfahren ist ernst zu nehmen
§ 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB bestimmt, daß ein Nachprüfungsantrag innerhalb einer Frist von 15 Kalendertagen nach Eingang der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, anzubringen ist. Die Regelung entspricht inhaltsgleich der Vorgängerregelung in § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB in der bis zum Inkrafttreten der Vergaberechtsreform am 18. April 2016 geltenden Fassung. Durch die Vorgabe einer solchen Antragsfrist soll verhindert werden, daß Auftragsinteressenten gleichsam Rügen „sammeln“ und erst im weiteren Verlauf des Vergabeverfahrens, beispielsweise kurz vor dem Zuschlag, einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer stellen und dadurch die Auftragsvergabe verzögern. Statt dessen sollen Auseinandersetzungen über mögliche Rechtsverstöße im Vergabeverfahren frühzeitig durch die Befassung der Vergabekammer beigelegt werden. „VK Bund: Antragsfrist im Nachprüfungsverfahren ist ernst zu nehmen“ weiterlesen
Vergabenachprüfungsstatistik 2015 veröffentlicht
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie erhebt gemäß § 184 GWB bei den Vergabekammern und Oberlandesgerichten jährlich statistische Angaben über die geführten Nachprüfungsverfahren und deren Ergebnisse. Hieran hat sich durch die Vergaberechtsreform 2016 nichts geändert. Auch wenn die Reform umfangreiche Änderungen im Berichtswesen über die Vergabe öffentlicher Aufträge mit sich gebracht hat, die insbesondere in der neu geschaffenen Vergabestatistikverordnung (VergStatVO) ihren Ausdruck finden, bleibt es im Bereich der Nachprüfungsstatistik bei der bisherigen Konzeption der jährlichen statistischen Meldungen der Nachprüfungsinstanzen. „Vergabenachprüfungsstatistik 2015 veröffentlicht“ weiterlesen
Zur Kostenverteilung im Vergabenachprüfungsverfahren bei der Rücknahme des Nachprüfungsantrags
Nicht zuletzt auf Grund der unklaren gesetzlichen Festlegungen in § 128 GWB wirft die Kostenverteilung im Vergabenachprüfungsverfahren immer wieder Zweifelsfragen auf. Eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts München (Beschl. v. 8. März 2016, Verg 1/16) gibt Anlaß, sich mit der Kostenverteilung bei einer Rücknahme des Nachprüfungsantrags näher zu befassen. Gegenstand der Entscheidung war ein Verfahren über die Vergabe von Leistungen des Projektmanagements nach § 43g EnWG für das Ersatzneubauprojekt einer Hochspannungsleitung, das mit einer Leistungserhöhung von 200 kv auf 380 kv verbunden war. Nachdem der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin vor der Vergabekammer erfolgreich war und der Auftraggeber hiergegen sofortige Beschwerde eingelegt hatte, nahm die Antragstellerin aus nicht bekannten Gründen den Nachprüfungsantrag in der Beschwerdeinstanz zurück. Für die Kostenverteilung gelten in einer solchen Situation folgende Grundsätze: Wer die Kosten für das Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer zu tragen hat, bestimmt sich nach § 128 Abs. 3 und 4 GWB. Dabei regelt § 128 Abs. 3 GWB die Pflicht zur Tragung der Gebühren und Auslagen der Vergabekammer, während § 128 Abs. 4 GWB die Erstattung der notwendigen Auslagen der übrigen Beteiligten betrifft. Für die Gebühren und Auslagen der Vergabekammer gilt, daß über diese gemäß § 128 Abs. 3 Satz 5 GWB nach billigem Ermessen zu entscheiden ist. Wie das Oberlandesgericht München in Übereinstimmung mit dem vorherrschenden Verständnis dieser Regelung ausführt, entspricht es in der Regel billigem Ermessen, daß der Antragsteller die Gebühren und Auslagen vollständig zu tragen hat, wenn er den Nachprüfungsantrag zurückgenommen hat. Zwar mag man erwägen, ob gemäß §128 Abs. 3 Satz 4 GWB bei einer Rücknahme des Nachprüfungsantrags eine Ermessensentscheidung entbehrlich ist, da nach der dortigen Regelung der Antragsteller bei einer Rücknahme des Antrags vor Entscheidung der Vergabekammer die Hälfte der Gebühr zu entrichten „hat“. Doch ist diese Formulierung nach der vom Bundesgerichtshof vertretenen Auslegung (Beschl. v. 25. Januar 2012, X ZB 3/11) so zu verstehen, daß sie nicht die Frage betrifft, wer die Gebühren tragen muß, sondern lediglich eine Regelung über die Höhe der Gebühren trifft. Für eine hiernach vorzunehmende Ermäßigung ist freilich dann kein Raum, wenn der Nachprüfungsantrag wie hier erst in der Beschwerdeinstanz zurückgenommen wird.
Hinsichtlich der den übrigen Verfahrensbeteiligten entstandenen notwendigen Aufwendungen bestimmt § 128 Abs. 4 Satz 3 GWB, dass diese bei einer Rücknahme des Nachprüfungsantrags zwingend vom Antragsteller zu tragen sind. Auf Billigkeitserwägungen kommt es dabei nicht an. Dadurch entsteht eine gewisse Inkongruenz zur Entscheidung über die Gebühren und Auslagen der Vergabekammer, die gemäß § 128 Abs. 3 Satz 4 GWB nach billigem Ermessen zu treffen ist. Dies ist jedoch hinzunehmen (BGH, Beschl. v. 25. Januar 2012, X ZB 3/11). Vor diesem Hintergrund sind die Ausführungen des Oberlandesgerichts München, daß in dem aktuellen Beschluß Erwägungen dazu anstellt, ob es „angemessen erscheint“, die Aufwendungen der Beigeladenen der Antragstellerin aufzugeben, zumindest mißverständlich. Denn § 128 Abs. 4 Satz 3 GWB läßt für derartige Überlegungen keinen Raum.
Über die Kosten des Verfahrens vor dem Beschwerdegericht schließlich trifft § 128 GWB keine Regelung. Hierfür kann gemäß §§ 120 Abs. 2, 78 GWB auf die zivilprozessualen Grundsätze zurückgegriffen werden, nach denen gemäß § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO grds. der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, wenn er die Klage zurücknimmt. Dazu gehören auch die Aufwendungen der übrigen Beteiligten, wobei man sich hinsichtlich der Kosten eines Beigeladenen zudem an § 101 ZPO orientieren kann.
Im Ergebnis traf die Antragstellerin daher hier die volle Kostenlast für das Nachprüfungsverfahren und die Beschwerdeinstanz.
Ist die Vergabekammer Berlin weiterhin nur teilweise arbeitsfähig?
Dass es um die Arbeitsfähigkeit der Vergabekammer Berlin nicht zum besten steht, ist seit längerer Zeit bekannt. Bereits im Herbst 2013 sorgte ein Beschluss des Kammergerichts für Aufsehen (KG, Beschl. v. 24. Oktober 2013, Verg 11/13). Das Gericht stellte darin u. a. fest, daß die Vergabekammer den Beteiligten des Nachprüfungsverfahrens mitgeteilt habe, daß sie ihre Amtstätigkeit im Zuständigkeitsbereich der 2. Beschlußabteilung mangels personeller Besetzung für absehbare Zeit eingestellt habe. Als Folge daraus konnten diverse Nachprüfungsverfahren (s. u. a. KG, Beschl. v. 1. September 2014, Verg 18/13; KG, Beschl. v. 18. Dezember 2014, Verg 21/13) nicht in der gesetzlich vorgesehen Entscheidungsfrist (§ 113 Abs. 2 Satz 1 GWB) beendet werden, so daß die Ablehnung des Antrags fingiert wurde und der Weg zur sofortigen Beschwerde eröffnet war (§ 116 Abs. 2 GWB). Nachdem das Thema nicht nur im Abgeordnetenhaus, sondern auch mehrfach in der Tagespresse zur Sprache kam, beschloß der Berliner Senat am 28. Oktober 2014 mit der 1. Änderungsverordnung zur Berliner Nachprüfungsverordnung, daß sowohl der Vorsitzende als auch der hauptamtliche Beisitzer der betroffenen 2. Beschlußabteilung nicht mehr wie bisher von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, sondern künftig von der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz benannt werden. Vor dem Hintergrund der gesetzlichen Vorgabe, nach der eines dieser beiden Mitglieder ein Volljurist sein muß (§ 105 Abs. 2 Satz 3 GWB), erhoffte man sich damit offenbar, die personellen Lücken in der Vergabekammer besser schließen zu können. Ob dieser Plan zwischenzeitlich zum gewünschten Erfolg geführt hat, scheint allerdings weiterhin fraglich. Nach einem kürzlich veröffentlichten Beschluß des Kammergerichts vom 27. Januar 2015, Az. Verg 9/14, hat sich jedenfalls bis Ende des vergangenen Jahres nichts an der beklagenswerten Situation geändert. Denn dort findet sich wiederum die Feststellung, daß die Vergabekammer den Beteiligten des Nachprüfungsverfahrens mitgeteilt habe, daß sie mangels ausreichender personeller Besetzung der zuständigen 2. Beschlußabteilung auf absehbare Zeit nicht werde in der Sache entscheiden können. Der wiederholt angebrachte Hinweis des Kammergerichts, daß dieser Zustand den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen und rechtsstaatlichen Verwaltung widerspreche, verhallt also offenbar weiterhin ungehört. Das Kammergericht leitet daraus zudem in mittlerweile gefestigter Rechtsprechung ab, daß sich das Land Berlin als öffentlicher Auftraggeber im Rahmen etwaiger Eilanträge vor dem Beschwerdegericht (§ 118 Abs. 1 Satz 3 GWB) nicht auf eine Dringlichkeit der Auftragsvergabe berufen könne, da es die im Nachprüfungsverfahren durch die Nichtbesetzung der Vergabekammer entstehende Verzögerung selbst zu vertreten habe. Dies entspricht dem zivilprozessualen Gedanken der Selbstwiderlegung: Wer selbst durch sein Verhalten zum Ausdruck bringt, daß die Sache nicht besonders eilbedürftig ist, kann sich im Eilverfahren nicht auf die Dringlichkeit seines Anliegens berufen. Für Vergabestellen des Landes Berlin, die auf die personelle Situation im Bereich der Vergabekammer üblicherweise keinen Einfluß haben, mag dies mißlich sein; in der Sache hingegen ist es sicherlich konsequent. Es darf mit Spannung erwartet werden, bis wann das Kammergericht seine Spruchtätigkeit als faktische Eingangsinstanz fortführen muß.