Kurz vor Jahresschluß sorgt das Verwaltungsgericht Berlin mit einer Entscheidung zur Ladenöffnung an Sonntagen für Gesprächsstoff. Gegenstand der Entscheidung war eine Allgemeinverfügung der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales, mit der an drei Sonntagen im ersten Halbjahr 2018 die Öffnung von Verkaufsstellen des Einzelhandels gestattet wurde. Es sind dies die Sonntage, an denen gleichzeitig die Internationale Grüne Woche und das Berliner Sechstagerennen, die Berlinale und die Internationale Tourismus-Börse (ITB) stattfinden. Gegen die Allgemeinverfügung über die verkaufsoffenen Sonntage hatte die Gewerkschaft ver.di Klage zum Verwaltungsgericht Berlin erhoben und gleichzeitig einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gestellt.
Der Eilantrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hatte Erfolg. Bei einer summarischen Prüfung gelangte das Verwaltungsgericht im Verfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu der vorläufigen Einschätzung, daß die Gestattung der drei verkaufsoffenen Sonntage rechtswidrig ist. Nach der Auffassung des Gerichts fehlt es für jeden der drei verkaufsoffenen Sonntage an einem hinreichenden Sachgrund, der eine Sonntagsöffnung im Einzelhandel ausnahmsweise rechtfertigen kann. Zwar erlaubt § 6 Abs. 1 des Berliner Ladenöffnungsgesetzes (BerlLadÖffG) die Sonntagsöffnung an bis zu acht Sonntagen im Jahr, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt. Allerdings müsse die Vorschrift aus der Sicht des Verwaltungsgerichts einschränkend ausgelegt werden, um dem verfassungsrechtlichen Gebot des Sonntagsschutzes (Art. 140 GG i. V. m. Art. 139 WRV, Art. 35 Abs. 1 VvB) Rechnung zu tragen. Es folge bereits aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das eine frühere Fassung des Berliner Ladenöffnungsgesetzes als teilweise verfassungswidrig eingestuft hat (Urt. v. 1. Dezember 2009, 1 BvR 2857/09, 2858/09), daß das bloße Umsatzinteresse des Einzelhandels und das Einkaufsinteresse der Kunden nicht genügen, um den grundsätzlichen Schutz der Sonntagsruhe zu durchbrechen. Ausgehend hiervon konnte das Verwaltungsgericht in den von der zuständigen Senatsverwaltung genannten Veranstaltungen keinen hinreichenden Grund für eine Sonntagsöffnung erblicken. Für maßgeblich sah das Verwaltungsgericht an, daß alle Veranstaltungen über einen Zeitraum von mehreren Tagen, nämlich zwischen fünf und zehn Tagen, stattfinden. Dadurch sei sichergestellt, daß die Besucher der Veranstaltungen auch ohne verkaufsoffene Sonntage ihren Versorgungsbedarf innerhalb der – ohnehin großzügigen – regulären Öffnungszeiten decken können. Hinzu komme, daß Veranstaltungen wie die ITB und die Internationale Grüne Woche ohnehin nur an einem Ort, dem Messegelände, stattfänden, so daß nicht erkennbar sei, weshalb derartige Veranstaltungen eine berlinweite Ladenöffnung rechtfertigen könnten.
Vor dem Hintergrund der Vorgaben der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, aber auch des Bundesverwaltungsgerichts (u. a. BVerwG, Urt. v. 17. Mai 2017, 8 CN 1.16) erscheint der Beschluß des Verwaltungsgerichts zunächst konsequent. Nicht zu verkennen ist allerdings, daß die Entscheidung erhebliche Auswirkungen haben kann, weil die bisherige Praxis der Sonntagsöffnung in Berlin mit diesen Vorgaben kaum zu vereinbaren sein wird. Nach Presseberichten hat die Senatsverwaltung bereits angekündigt, gegen die Entscheidung Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg erheben zu wollen. Für deren Erfolgsaussichten dürfte es wohl auch darauf ankommen, inwieweit es der Senatsverwaltung gelingt, den von ihr angenommenen berlinweiten Versorgungsbedarf an den betroffenen Sonntagen zu konkretisieren und mit tragfähigen Untersuchungen oder Prognosen zu belegen. Dadurch könnte auch bei Zugrundelegung des vom Verwaltungsgericht für richtig befundenen Maßstabs ein hinreichend gewichtiges öffentliches Interesse belegt werden, das die Ladenöffnung an den konkret betroffenen Sonntagen rechtfertigen könnte.
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