Eine weitere lehrreiche Entscheidung zum Angebotsausschluß wegen einer Änderung der Vergabeunterlagen stammt vom OLG Frankfurt a. M. Der Auftraggeber schrieb im offenen Verfahren die Vergabe der Herstellung, Lieferung, Montage und Inbetriebnahme von Fertignaßzellen für den Ersatzneubau eines Krankenhauses aus. Im Leistungsverzeichnis verlangte der Auftraggeber u. a., daß eine „Abdichtung gemäß den gültigen Richtlinien und Normen“ verlangt war. Ein Bieter gab ein Angebot ab, das die die Lieferung von Naßzellen aus glasfaserverstärkten Kunststoffen und Stahlblech-Paneelen vorsah. Nach der Auffassung des Bieters war diese Konstruktion auch ohne gesonderte Abdichtung wasserdicht. Das Angebot lag auf dem ersten Rang. Ein Konkurrent wandte sich gegen den beabsichtigten Zuschlag auf das Angebot, hatte jedoch vor der Vergabekammer zunächst keinen Erfolg. Im Verfahren nach § 173 Abs. 1 Satz 2 GWB kam das OLG Frankfurt a. M. freilich zu dem Ergebnis, daß die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß der Vergabekammer voraussichtlich Erfolg hat. Bei summarischer Prüfung sei das Angebot des beigeladenen erstplatzierten Bieters voraussichtlich auszuschließen.
§ 13 EU Abs. 1 Nr. 5 VOB/A bestimmt, daß das Angebot auf der Grundlage der Vergabeunterlagen zu erstellen sind und daß Änderungen an den Vergabeunterlagen unzulässig sind. Nach der Auffassung des Vergabesenats ist die Vorgabe, nach der eine Abdichtung verlangt wurde, ernst zu nehmen. Zwar waren die Vergabeunterlagen in den Einzelheiten unklar, da der Auftraggeber einerseits von „Abdichtungen“, andererseits von „Abdichtungssystemen“ sprach, ohne daß erkennbar wurde, worin der Unterschied zwischen beiden Anforderungen lag. Allerdings hielt das OLG Frankfurt a. M. dies für unbeachtlich, da klar sei, daß jedenfalls überhaupt eine Abdichtung gefordert gewesen sei. Dem entspreche die Konstruktion des erstplatzierten Bieters nicht, da sein Angebot unstreitig keine gesonderte Abdichtung enthielt. Der Einwand des Bieters, eine Abdichtung sei bei der von ihm gewählten Konstruktion entbehrlich, überzeugte das Gericht nicht, da das Leistungsverzeichnis des Auftraggebers eine solche Möglichkeit nicht vorsah. Zudem hielt es das Gericht keineswegs für erwiesen, daß die Konstruktion des Bieters tatsächlich ohne eine gesonderte Abdichtung auskommen konnte.
Das wenig überraschende Fazit der Entscheidung: Was der Auftraggeber in den Vergabeunterlagen vorgibt, ist ernst zu nehmen, auch wenn der Bieter glaubt, es besser zu wissen (oder zu können).
OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 30. August 2017, 11 Verg 10/17