Wann ist ein Schankvorgarten in einem Wohngebiet zulässig?

Das OVG Berlin-Brandenburg hat sich in einer aktuellen Entscheidung erneut mit der bau- und immissionsschutzrechtlichen Zulässigkeit von Freiluftgaststätten befaßt. Dem Urteil liegt eine langwierige Auseinandersetzung um die Zulassung einer Gaststätte an der Clayallee in Berlin-Dahlem zugrunde. Der Bauherr beabsichtigte, eine dort gelegene ehemalige Försterei zu einem Restaurant mit einem Außenbereich mit 60 Sitzplätzen umzubauen. Nachdem das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf von Berlin zunächst die erforderliche Baugenehmigung erteilt hatte, hob es die Baugenehmigung auf den Widerspruch eines Nachbarn hinsichtlich des Schankvorgartens der Gaststätte auf. Die Klage des Bauherrn vor dem Verwaltungsgericht Berlin, mit der er die Wiederherstellung der Baugenehmigung erstrebte, blieb erfolglos. Auch seine Berufung hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg jetzt zurückgewiesen.

Den Ausgangspunkt für die Beurteilung der baurechtlichen Zulässigkeit des Schankvorgartens bildet § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO und das darin zum Ausdruck kommende baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme, das hinsichtlich der Zumutbarkeit von Immissionen nach den Regelungen und Wertungen des Immissionsschutzrechts auszufüllen ist. Ist hierfür grundsätzlich die TA Lärm heranzuziehen, so gilt dies, wie das OVG Berlin-Brandenburg nunmehr erneut bestätigt hat, nicht für Freiluftgaststätten. Diese sind gemäß Nr. 1 Satz 2 b) TA Lärm vom Anwendungsbereich der TA Lärm ausgenommen (s. dazu bereits OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 28. Juni 2010, OVG 10 S 46.09). Das entspricht inzwischen wohl allgemeiner Auffassung (s. auch BVerwG, Beschluss vom 3. August 2010, BVerwG 4 B 9.10). Im hiesigen Fall hatte der Bauherr zwar eingewandt, daß die Ausführungsvorschriften zum Landes-Immissionsschutzgesetz Berlin in der aktuellen Fassung vom 9. Dezember 2015 auf die Freizeitlärm-Richtlinie verweisen, die Richtwerte aufführt, die denen der TA Lärm entsprechen. Allerdings gehören Gaststätten nicht zu den Freizeitanlagen, so daß auch aus der Freizeitlärm-Richtlinie keine (mittelbare) Geltung der Immissionsrichtwerte der TA Lärm folgt. Es bleibt damit auch nach Überarbeitung der AV LImSchG Bln dabei, daß eine tatrichterliche Beurteilung der Lärmauswirkungen unter Berücksichtigung der besonderen Gesichtspunkte des Einzelfalls vorzunehmen ist, wobei die TA Lärm allenfalls einen Orientierungsmaßstab bilden kann (s. dazu auch Nr. 11 Abs. 4 a) der AV LImSchG Bln).

Im konkreten Fall fiel diese Beurteilung zu Lasten des Bauherrn aus, da der von dem Außenbereich der Gaststätte ausgehende Lärm nach der Auffassung des Gerichts unzumutbar war, so daß das Vorhaben gegen das Rücksichtnahmegebot verstieß. Zu berücksichtigen war dabei, daß das Grundstück der Gaststätte in einem allgemeinen Wohngebiet und die benachbarten Wohngrundstücke in einem reinen Wohngebiet liegen, das hinsichtlich der Zulässigkeit von Lärmimmissionen besonders schutzwürdig ist. Die für ein reines Wohngebiet geltenden Immissionsrichtwerte der TA Lärm wurden nach den Erkenntnissen eines Lärmgutachtens bereits nahezu erreicht. Hinzu kam hier, daß der Betreiber der Gaststätte einen täglichen Betrieb von 10 Uhr morgens bis 22 Uhr abends beabsichtigte, was zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Nachbarschaft geführt hätte. Ferner war nach der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts in Rechnung zu stellen, daß der von Schankvorgärten ausgehende Lärm ohnehin besonders lästig und störgeeignet ist, weil er von dem nicht steuerbaren Verhalten der Gäste abhängt und nicht gleichförmig ist, sondern in Höhe und Intensität ständig wechseln kann. Auch der Verkehrslärm von der nahegelegenen Clayallee änderte an dieser Einschätzung nichts, da der Lärm von der Gaststätte von den Verkehrslärm voraussichtlich nicht verdeckt worden wäre, sondern zu der ohnehin schon bestehenden Belastung noch hinzugetreten wäre.

Die Entscheidung belegt einmal mehr die Einzelfallabhängigkeit der Beurteilung der Lärmauswirkungen von Freiluftgaststätten. Während eine schematische Anwendung der TA Lärm wohl zur Zulässigkeit des Vorhabens geführt hätte, bejahte das OVG bei der gebotenen Betrachtung der individuellen Umstände die Rücksichtslosigkeit und damit die Unzulässigkeit des Vorhabens. In methodischer Hinsicht ist die Entscheidung zu begrüßen, da sie erneut nachvollziehbar darlegt, weshalb die von der TA Lärm für die Beurteilung von Schallimmissionen vorgesehene Vorgehensweise auf die Beurteilung der Zulässigkeit von Schankvorgärten nicht paßt.

OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 6. Juli 2017, 6 B 11.17

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