Ein Beschluss des Kammergerichts erörtert die Voraussetzungen für den Eintritt eines Zuschlagsverbots im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren. Der Entscheidung lag ein Vergabeverfahren zur Beschaffung von Dienstleistungen der telefonischen Sprachmittlung in einem Gesundheitsamt zugrunde. Ein Bieter, dessen Angebot nicht den Zuschlag erhalten sollte, wandte sich mit einem Nachprüfungsantrag an die Vergabekammer Berlin. Die Antragsschrift ging am 31. Mai 2019 bei der Vergabekammer Berlin ein. Die Vergabekammer übermittelte den Nachprüfungsantrag dem Auftraggeber nicht und wies mit Beschluss vom 12. Juni 2019 den Nachprüfungsantrag zurück. Bereits zuvor, nämlich am 4. Juni 2019, erkundigte sich der Auftraggeber bei der Vergabekammer nach einem Nachprüfungsantrag und erfuhr von der Geschäftsstelle der Vergabekammer, dass der Nachprüfungsantrag nicht übermittelt werden solle. Noch am selben Tag erteilte der Auftraggeber den Zuschlag. „Zuschlagsverbot im Nachprüfungsverfahren bereits bei Kenntnis von dem Nachprüfungsantrag?“ weiterlesen
VK Berlin: Bewertungskriterien im Vergabeverfahren müssen vor Öffnung der Angebote festgelegt werden
Eine Entscheidung der Vergabekammer Berlin befasst sich mit den Anforderungen an die Festlegung der Kriterien für die Bewertung der Wirtschaftlichkeit der Angebote im Vergabeverfahren. Der Entscheidung bezieht sich auf ein Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb zur Beschaffung von Leistungen zur Einführung einer digitalen Akte für die Behörden der Berliner Verwaltung. Als Zuschlagskriterien hatte der Auftraggeber im Vergabeverfahren sowohl den Preis als auch Qualitätskriterien genannt. Mit dem Angebot war ein Kriterienkatalog einzureichen, in dem die Bieter zu erläutern hatten, wie sie bestimmte Anforderungen der Leistungsbeschreibung erfüllen würden. Der Wertung der Angebote legte der Auftraggeber einen Bewertungskatalog zugrunde, der im Grundsatz dem Kriterienkatalog entsprach, die dortigen Angaben aber um eine weitere Spalte mit Antworterwartungen des Auftraggebers enthielt. Ein Bieter, dessen Angebot nicht für den Zuschlag vorgesehen war, wandte sich mit einem Nachprüfungsantrag an die Vergabekammer und beanstandete u. a. die Bewertung der Angebote. „VK Berlin: Bewertungskriterien im Vergabeverfahren müssen vor Öffnung der Angebote festgelegt werden“ weiterlesen
VK Berlin: Architektenwettbewerb muss einheitliche Bewertungsmaßstäbe aufweisen
Mit den vergaberechtlichen Anforderungen an die Durchführung eines Architektenwettbewerbs (Planungswettbewerb i. S. v. § 69 Abs. 1 VgV) befasst sich ein Beschluss der Vergabekammer Berlin. Die Entscheidung betrifft einen Realisierungswettbewerb, den das Land Berlin nach den Bestimmungen der RPW 2013 durchführte und der Planungsleistungen für den Umbau und die Erweiterung der Komischen Oper in Berlin-Mitte zum Gegenstand hatte. In der Bekanntmachung hatte der Auftraggeber Eignungskriterien für die Auswahl der Wettbewerbsteilnehmer angegeben, die insbesondere die Nennung bestimmter Referenzen zum Gegenstand hatten. In den Vergabeunterlagen wurde dazu ausgeführt, dass Referenzen in bestimmten Kategorien, die der Auftraggeber näher spezifiziert hatte, anzugeben waren. Zur Bewertung der Referenzen gab der Auftraggeber bestimmte Kriterien an. „VK Berlin: Architektenwettbewerb muss einheitliche Bewertungsmaßstäbe aufweisen“ weiterlesen
VK Berlin: Festlegung der Laufzeit bei Rahmenvereinbarungen muss ausreichend dokumentiert sein
Eine aktuelle Entscheidung der Vergabekammer Berlin befasst sich u. a. mit den vergaberechtlichen Anforderungen an die Festlegung der Laufzeit bei Rahmenvereinbarungen.
Die Entscheidung betrifft ein Verfahren zur Vergabe des Betriebs von Heizanlagen sowie Heizungs- und Warmwasserbereitungsanlagen. Ausgeschrieben waren Rahmenvereinbarungen in 24 Losen, deren Laufzeit sechs Jahre mit einer zweimaligen Verlängerungsoption für den Auftraggeber um jeweils fünf Jahre betragen sollte. Ein Bieter beanstandete im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer zahlreiche Gesichtspunkte betreffend die Grundlagen des Vergabeverfahrens, u. a. die Festlegung der Eignungskriterien, die fehlende eindeutige und erschöpfende Beschreibung der Leistung, die fehlende Kalkulierbarkeit der nachgefragten Angebote und die mangelnde Transparenz der Zuschlagskriterien. „VK Berlin: Festlegung der Laufzeit bei Rahmenvereinbarungen muss ausreichend dokumentiert sein“ weiterlesen
Ist die Vergabekammer Berlin weiterhin nur teilweise arbeitsfähig?
Dass es um die Arbeitsfähigkeit der Vergabekammer Berlin nicht zum besten steht, ist seit längerer Zeit bekannt. Bereits im Herbst 2013 sorgte ein Beschluss des Kammergerichts für Aufsehen (KG, Beschl. v. 24. Oktober 2013, Verg 11/13). Das Gericht stellte darin u. a. fest, daß die Vergabekammer den Beteiligten des Nachprüfungsverfahrens mitgeteilt habe, daß sie ihre Amtstätigkeit im Zuständigkeitsbereich der 2. Beschlußabteilung mangels personeller Besetzung für absehbare Zeit eingestellt habe. Als Folge daraus konnten diverse Nachprüfungsverfahren (s. u. a. KG, Beschl. v. 1. September 2014, Verg 18/13; KG, Beschl. v. 18. Dezember 2014, Verg 21/13) nicht in der gesetzlich vorgesehen Entscheidungsfrist (§ 113 Abs. 2 Satz 1 GWB) beendet werden, so daß die Ablehnung des Antrags fingiert wurde und der Weg zur sofortigen Beschwerde eröffnet war (§ 116 Abs. 2 GWB). Nachdem das Thema nicht nur im Abgeordnetenhaus, sondern auch mehrfach in der Tagespresse zur Sprache kam, beschloß der Berliner Senat am 28. Oktober 2014 mit der 1. Änderungsverordnung zur Berliner Nachprüfungsverordnung, daß sowohl der Vorsitzende als auch der hauptamtliche Beisitzer der betroffenen 2. Beschlußabteilung nicht mehr wie bisher von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, sondern künftig von der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz benannt werden. Vor dem Hintergrund der gesetzlichen Vorgabe, nach der eines dieser beiden Mitglieder ein Volljurist sein muß (§ 105 Abs. 2 Satz 3 GWB), erhoffte man sich damit offenbar, die personellen Lücken in der Vergabekammer besser schließen zu können. Ob dieser Plan zwischenzeitlich zum gewünschten Erfolg geführt hat, scheint allerdings weiterhin fraglich. Nach einem kürzlich veröffentlichten Beschluß des Kammergerichts vom 27. Januar 2015, Az. Verg 9/14, hat sich jedenfalls bis Ende des vergangenen Jahres nichts an der beklagenswerten Situation geändert. Denn dort findet sich wiederum die Feststellung, daß die Vergabekammer den Beteiligten des Nachprüfungsverfahrens mitgeteilt habe, daß sie mangels ausreichender personeller Besetzung der zuständigen 2. Beschlußabteilung auf absehbare Zeit nicht werde in der Sache entscheiden können. Der wiederholt angebrachte Hinweis des Kammergerichts, daß dieser Zustand den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen und rechtsstaatlichen Verwaltung widerspreche, verhallt also offenbar weiterhin ungehört. Das Kammergericht leitet daraus zudem in mittlerweile gefestigter Rechtsprechung ab, daß sich das Land Berlin als öffentlicher Auftraggeber im Rahmen etwaiger Eilanträge vor dem Beschwerdegericht (§ 118 Abs. 1 Satz 3 GWB) nicht auf eine Dringlichkeit der Auftragsvergabe berufen könne, da es die im Nachprüfungsverfahren durch die Nichtbesetzung der Vergabekammer entstehende Verzögerung selbst zu vertreten habe. Dies entspricht dem zivilprozessualen Gedanken der Selbstwiderlegung: Wer selbst durch sein Verhalten zum Ausdruck bringt, daß die Sache nicht besonders eilbedürftig ist, kann sich im Eilverfahren nicht auf die Dringlichkeit seines Anliegens berufen. Für Vergabestellen des Landes Berlin, die auf die personelle Situation im Bereich der Vergabekammer üblicherweise keinen Einfluß haben, mag dies mißlich sein; in der Sache hingegen ist es sicherlich konsequent. Es darf mit Spannung erwartet werden, bis wann das Kammergericht seine Spruchtätigkeit als faktische Eingangsinstanz fortführen muß.