Eine kürzlich veröffentlichte Entscheidung der 2. Vergabekammer des Bundes befaßt sich mit der Frage, wer das Risiko von Verzögerungen im Zusammenhang mit der Zustellung von Angebotsunterlagen zu tragen hat. Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren war ein in Berlin ansässiges Unternehmen; die Angebote für den Auftrag, um den sich Antragstellerin beworben hatte, sollten bei dem öffentlichen Auftraggeber in Bonn eingereicht werden. Das antragstellende Bieterunternehmen übergab das Angebot ca. zwölf Stunden vor Ablauf der Angebotsfrist in Berlin einem Kurierdienst und vereinbarte ein Zeitfenster für die Auslieferung beim Auftraggeber, das der Kurierdienst allerdings nicht verbindlich zusagte. Auf dem Weg von Berlin nach Bonn blieb das Fahrzeug des Kuriers liegen und konnte erst nach einem Werkstattaufenthalt seine Fahrt fortsetzen. Das Angebot ging deshalb zu spät beim Auftraggeber ein und wurde ausgeschlossen.
Der Nachprüfungsantrag des Bieters blieb erfolglos. § 57 Abs. 1 Nr. 1 VgV bestimmt u. a., daß Angebote, die nicht fristgerecht eingehen, auszuschließen sind, wenn nicht der Bieter das Fristversäumnis nicht zu vertreten hat. Dementsprechend reduziert sich die rechtliche Diskussion bei verspäteten Angeboten regelmäßig auf die Frage, ob der Bieter das Fristversäumnis zu vertreten hat. Das hat die Vergabekammer hier zu Recht bejaht. Zwar muß der Bieter für den technischen Defekt des vom Kurier eingesetzten Fahrzeugs wohl nicht einstehen, zumal hier auch nichts für ein Auswahlverschulden im Zusammenhang mit der Beauftragung des Kuriers erkennbar war. Doch muß der Bieter dasjenige Risiko vertreten, das sich realisiert, wenn er das Angebot so spät abschickt, daß für den Transport zum Auftraggeber nur ein sehr knapper Zeitraum verbleibt. Dieses Risiko war hier mit Händen zu greifen, da der Bieter das Angebot erst am Abend vor Fristende auf den Weg gebracht hatte und er zudem wußte, daß der Frachtführer den fristgerechten Eingang nicht verbindlich zusagen konnte. Damit war absehbar, daß bereits kleinere Störungen auf dem Transportweg zum Versäumen der Angebotsfrist führen könnten. Dieses Risiko ist letztlich eingetreten.
Der Bieter mag nun zwar prüfen, ob ihm Schadensersatzansprüche gegen den Frachtführer zustehen. Das LG Bonn hat in einem vergleichbaren Fall dem Bieter Ersatz des positiven Interesses zugesprochen (LG Bonn, Urt. v. 5. August 2015, 3 O 365/13). Fraglich dürfte hier aber sein, ob die offenbar getroffene Vereinbarung, wonach die Zustellzeit nur unverbindlich sein sollte, einem Anspruch entgegensteht.