Erneut hat sich die Vergabekammer des Bundes mit einer Ausschreibung über Kontrastmittel als Sprechstundenbedarf befaßt. Den Gegenstand des Verfahrens bildete eine Ausschreibung mehrerer Krankenkassen über die Belieferung von Radiologen mit Kontrastmitteln bestimmter Wirkstoffe. Ein Kontrastmittelhersteller wandte sich gegen die Ausschreibung mit einem Nachprüfungsantrag und hatte vor der 2. Vergabekammer des Bundes teilweise Erfolg.
Der Antragsteller machte zunächst geltend, daß die von den Krankenkassen aufgestellten Kriterien zur Angebotswertung das tatsächlich auf dem Markt angebotene Sortiment an Kontrastmitteln nur unzureichend berücksichtigten. Zur Ermittlung der Wirtschaftlichkeit der Angebote hatten die Auftraggeberinnen innerhalb der einzelnen Fachlose Versorgungsbedarfsgruppen gebildet, die sich u. a. nach der Packungsgröße unterschieden. Für die Angebotswertung wurden die in den einzelnen Versorgungsbedarfsgruppen angebotenen Preise mit denjenigen Mengen, die in einem bestimmten Referenzzeitraum an die Vertragsärzte abgegeben wurden, multipliziert. Das führte dazu, daß bestimmte Packungsgrößen bei der Wirtschaftlichkeitswertung faktisch keine Rolle spielten, weil sie im Referenzzeitraum kaum nachgefragt worden waren.
Mit dieser Beanstandung konnte die Antragstellerin jedoch nicht durchdringen: Nach der Auffassung der Vergabekammer ist es vergaberechtlich zulässig, wenn der Auftraggeber der Wirtschaftlichkeitswertung in einer solchen Konstellation grundsätzlich den Bedarf aus der Vergangenheit zugrunde legt. Auch dann, wenn in der Zwischenzeit neue Packungsgrößen am Markt eingeführt wurden, sind Krankenkassen nicht verpflichtet, Prognosen über das künftige Nachfrageverhalten der Ärzte anzustellen, zumal es dafür an tragfähigen Anhaltspunkten fehlte.
Erfolg hatte hingegen der zweite Angriff der Antragstellerin. Er richtete sich gegen die Vorgabe der Krankenkassen, daß alle Angebote mindestens einen Rabatt von 15 %, bezogen auf den geringsten ApU (Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers) in der Lauer-Taxe, aufweisen müssen. Angebote, die diese Vorgabe nicht erfüllen, sollten ausgeschlossen werden. Eine solche Festlegung ist nach der Auffassung der Vergabekammer vergaberechtswidrig. Zwar bestimmt § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV, daß Angebote ausgeschlossen werden, die von den Vergabeunterlagen abweichen. Diese Regelung gilt nach der Lesart der Vergabekammer allerdings nicht für Vorgaben, die den Preis betreffen. Insoweit soll es allein den Bietern überlassen sein, den Preis für die von ihnen angebotene Leistung festzulegen. Das Bestimmungsrecht des Auftraggebers soll sich nur auf die von ihm nachgefragte Leistung beziehen, soweit nicht der Ausnahmefall der Vergabe nach Festpreisen oder Festkosten (§ 58 Abs. 2 Satz 3 VgV) vorliegt.
Die Auffassung der Vergabekammer zur Zulässigkeit eines Mindestrabatts erstaunt. § 58 Abs. 2 Satz 3 VgV erlaubt in Übereinstimmung mit Art. 67 Abs. 2 RL 2014/24/EU, Festpreise oder Festkosten vorzugeben, und zwar keineswegs nur dann, wenn preisrechtliche Vorschriften die Höhe der Vergütung verbindlich vorgeben. A maiore ad minus deutet dies darauf hin, daß es dem Auftraggeber auch erlaubt sein muß, einen Höchstpreis vorzugeben, ansonsten aber einen Preiswettbewerb zu eröffnen. Unter wettbewerblichen Gesichtspunkten ist das unbedenklich, denn eine Benachteiligung einzelner Bieter durch derartige Höchstpreisregeln oder Mindestrabattvorgaben ist ausgeschlossen: Sieht sich ein Bieter auf Grund der Preisvorgabe nicht in der Lage, ein Angebot abzugeben, kann jedoch ein anderer Bieter die Vorgabe einhalten und ein Angebot legen, so hätte der erstgenannte Bieter auch ohne die Preisvorgabe nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben und wäre nicht zum Zuge gekommen. Ist hingegen kein Bieter in der Lage, die Preisvorgabe einzuhalten, so endet das Vergabeverfahren zwangsläufig ergebnislos, und der Auftraggeber muß erwägen, ob er den Auftrag nunmehr ohne die problematische Preisvorgabe in den Wettbewerb stellt.
Gegen die Entscheidung wurde sofortige Beschwerde zum OLG Düsseldorf eingelegt.