OVG Nordrhein-Westfalen: Eigentumseingriffe durch Bebauungsplan müssen verhältnismäßig sein

Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen befasst sich in zwei aktuellen Entscheidungen mit den Anforderungen an Eigentumseingriffe durch Festsetzungen in Bebauungsplänen. Die Urteile betreffen zwei Normenkontrollverfahren gegen einen Bebauungsplan, mit dem Gleisanlagen der Deutschen Bahn und angrenzende Flächen überplant wurden. Der Bebauungsplan enthielt u. a. die Festsetzung einer öffentlichen Grünfläche und einer Sichtschutzanlage auf privaten Grundstücken. Grünfläche und Sichtschutzanlage sollten ein ebenfalls festgesetztes Gewerbegebiet von weiteren Nutzungen, insbesondere den Bahnanlagen und dem Bahnhofsbereich, abgrenzen. Gegen den Bebauungsplan wandten sich zwei Eigentümer von Grundstücken im Plangebiet, die dort ein Gewerbe betrieben.

Die Normenkontrollanträge hatten Erfolg und führten dazu, dass das OVG Nordrhein-Westfalen den Bebauungsplan für unwirksam erklärte. Zur Begründung der Entscheidung erinnerte das Gericht an die Anforderungen, die aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz an die Überplanung eines Grundstücks zu fremdnützigen Zwecken folgen. Hiernach muss die Gemeinde für die fremdnützige Überplanung eines privaten Grundstücks den geringstmöglichen Eingriff wählen, um dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu genügen. Ein mit der Aufstellung eines Bebauungsplans verbundener hoheitlichen Eingriff in das Eigentumsrecht muss folglich geeignet sein, um das Planungsziel zu erreichen. Er muss ferner das am wenigsten belastende Mittel darstellen und in einem ausgewogenen Verhältnis zu dem zu erzielenden Nutzen stehen.

Diese Voraussetzungen sah das Gericht hier nicht als gewahrt an. Nach dem Ergebnis der gerichtlichen Prüfung fehlte es an einer ausreichenden Ermittlung der für die Festsetzung der Grünfläche zur Herstellung eines Sichtschutzes maßgeblichen Umstände, die überdies zu einer Fehlgewichtung des Belangs führten. Das Gericht beanstandete insbesondere, dass es die planende Gemeinde unterlassen habe, sich ein genaues Bild davon zu machen, welchen Schutz die zu schützenden Nutzungen überhaupt benötigen und mit welchen planerischen Mitteln ein solcher Schutzbedarf umgesetzt werden kann. U. a. sei nicht untersucht worden, welcher Schutzbedarf aufgrund der bereits bestehenden Grundstücksnutzung vorhanden sei. Auch sei nicht geprüft worden, dass bereits durch eine ebenfalls geplante Bebauung eine Abschirmungswirkung betreffend die gewerbliche Nutzung erreicht werde. Zudem sei versäumt worden, sich ein ausreichend genaues Bild über die Wirkungen zu verschaffen, die mit der festgesetzten Sichtschutzanlage erreicht werden könnten. Alternative Standorte seien ebenfalls nicht hinreichend untersucht worden. Dadurch habe die Gemeinde das das mit der Festsetzung der öffentlichen Grünfläche zur Errichtung einer Sichtschutzanlage verfolgte Interesse von vornherein nicht fehlerfrei gewichtet. Die Abwägung dieses Interesses mit den Interessen der Grundstückeigentümer, von einer fremdnützigen Überplanung ihrer Grundstücke verschont zu bleiben, sei daher nicht fehlerfrei.

Hinzu kamen Defizite bei der Ermittlung der Interessen der Eigentümer überplanter Grundstücke an der baulichen Ausnutzung ihrer Grundstücke. Im Ergebnis führte dies zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans.

OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 14. April 2022, 10 D 16/20.NE, 10 D 17/20.NE

 

 

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