OLG Frankfurt a. M.: Mindestanforderungen an Nebenangebote müssen transparent definiert werden

Das OLG Frankfurt a. M. befasst sich mit der Frage, wie Mindestanforderungen an Nebenangebote wirksam aufgestellt werden können.

Die Entscheidung betrifft die Vergabe von Infrastruktur- und Erschließungsleistungen für ein neues Stadtviertel. Die Vergabeunterlagen sahen vor, dass Nebenangebote in Verbindung mit einem Hauptangebot zulässig waren. Nebenangebote mussten die Mindestanforderungen erfüllen. Ausdrückliche Festlegungen zu den Mindestanforderungen enthielten die Vergabeunterlagen aber nicht.

Ein Unternehmen gab u. a. ein Nebenangebot ab, das vorsah, dass für den Bau von Straßen u. a. eine  Frostschutzschicht und eine kombinierte Frost- und Schottertragschicht aus Recycling-Material verwendet werden sollten. Die Auftraggeberin lehnte das Nebenangebot mit der Begründung ab, dass die Verwendung von Recycling-Material nicht akzeptiert werde.

Der hiergegen gerichtete Nachprüfungsantrag des Bieters hatte in der Beschwerdeinstanz Erfolg. Die Auftraggeberin war nach der Auffassung des OLG Frankfurt a. M. nicht berechtigt, das Nebenangebot gemäß § 16 EU Nr. 5 VOB/A auszuschließen. Das Nebenangebot verstieß nicht gegen die Mindestanforderungen. Ausdrückliche Mindestanforderungen hatte die Auftraggeberin unstreitig nicht gestellt.

Zwar können Mindestanforderungen auch konkludent definiert werden. Dies erfordert aber, dass die jeweilige Festlegung bei einer Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont eines durchschnittlichen Bieters des angesprochenen Bieterkreises nur im Sinne einer Mindestanforderung an Nebenangebote verstanden werden kann. Dies war hier nach dem Ergebnis der Prüfung durch das Gericht nicht der Fall. Das Leistungsverzeichnis enthielt insoweit lediglich die Festlegung, dass eine „natürliche Gesteinskörnung“ zu verwenden sei. Dies bezog sich jedoch bereits auf die Hauptangebote. Einen Hinweis darauf, dass diese Festlegung als Mindestanforderung auch für Nebenangebote gelten sollte, vermochte das Gericht nicht zu erkennen.

Auch das weitergehende Argument der Auftraggeberin, der Bieter habe die Gleichwertigkeit seines Nebenangebots nicht nachgewiesen, fand vor dem Vergabesenat kein Gehör: Die inhaltliche Prüfung der Zuschlagsfähigkeit eines Nebenangebots finde ausschließlich am Maßstab der Mindestanforderungen, nicht jedoch anhand einer nicht näher definierten und damit intransparenten Gleichwertigkeitsprüfung statt. Lasse der Auftraggeber Nebenangebote zu, sei er verpflichtet, Mindestanforderungen zu definieren (§ 8 EU Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 lit. b) VOB/A). Für eine Gleichwertigkeitsprüfung sei daneben kein Raum.

Dass eine nicht näher definierte Gleichwertigkeit kein tragfähiges Prüfungskriterium sein kann, ist spätestens seit dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 7. Januar 2014 (X ZB 15/13) keine Überraschung mehr. Dennoch zeigt sich immer wieder, dass Auftraggeber nicht die erforderlichen Konsequenzen daraus ziehen und Mindestanforderungen an Nebenangebote transparent definieren. Die Folgen daraus können schwerwiegend sein, wie diese Entscheidung verdeutlicht.

OLG Frankfurt a. M, Beschl. v. 15. März 2022, 11 Verg 10/21

 

 

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