Eine aktuelle Entscheidung des EuGH befasst sich mit der Bedeutung des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf im Vergabeverfahren. Gegenstand der Entscheidung ist ein Vorabentscheidungsersuchen des italienischen Kassationshofs, dem ein Vergabeverfahren der Gesundheitsbehörde der Region Valle d’Aosta zugrunde lag. Ein Bieter im Vergabeverfahren, dem der Zuschlag nicht erteilt werden sollte, wandte sich mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht gegen seinen Ausschluss aus dem Vergabeverfahren und die Erteilung des Zuschlags an einen anderen Bieter. Vor dem Verwaltungsgericht blieb die Klage erfolglos, da das Gericht sowohl den Ausschluss als auch die Zuschlagsentscheidung in der Sache für rechtmäßig erachtete. Im Berufungsverfahren wies der Staatsrat einerseits die Berufung zurück, soweit sie die Bewertung des Angebots des Bieters betraf. Hinsichtlich der Ordnungsgemäßheit des Vergabeverfahrens insgesamt hob das Berufungsgericht die erstinstanzliche Entscheidung aber auf und führte aus, die Klage sei insoweit bereits unzulässig gewesen, da der Bieter vom Vergabeverfahren ausgeschlossen worden sei. Daher könne er insoweit keine Nachprüfung des Vergabeverfahrens verlangen. Gegen dieses Urteil erhob der Bieter Kassationsbeschwerde zum Kassationsgerichtshof und machte geltend, die Entscheidung verletze sein Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf. Der Kassationsgerichtshof legte dem EuGH sinngemäß die Frage zur Entscheidung vor, ob es das Unionsrecht verlange, dass das Urteil des Staatsrats, des höchsten Verwaltungsgerichts, mit einem Rechtsbehelf angefochten werden könne, wenn es nicht mit Unionsrecht in Einklang stehe.
Der EuGH verneinte diese Vorlagefrage. Zur Begründung befasste sich der Gerichtshof zunächst mit der Reichweite von Art. 47 GrCH. Er führte aus, dass das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf für den gesamten Bereich der Durchführung des Unionsrechts gelte. Daher sei auch das richtlinienrechtlich geregelte Vergaberecht vom Anwendungsbereich des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf umfasst. Inhaltlich obliege die Ausformung gerichtlicher Rechtsbehelfe zwar den Mitgliedstaaten; diese seien aber an die Grundsätze der Effektivität und der Äquivalenz gebunden. In dieser Hinsicht konnte der EuGH allerdings keinen Verstoß gegen die unionsrechtlichen Vorgaben erkennen. Das Äquivalenzgebot sei gewahrt, da unionsrechtlich geprägte Sachverhalte nach dem innerstaatlichen Verfahrensrecht nicht anders beurteilt würden als innerstaatliche Sachverhalte. Hinsichtlich der Effektivität der innerstaatlichen Rechtsbehelfe sei ebenfalls keine Beanstandung zu erkennen. Insbesondere sei es nicht geboten, gegen eine letztinstanzliche gerichtliche Entscheidung einen weiteren gerichtlichen Rechtsbehelf zu ermöglichen.
Aus Art. 1 RL 89/665 EWG folgerte der EuGH nichts anderes: Zwar sei die Entscheidung des Staatsrats in der Sache fehlerhaft, weil der Zugang zu einer Sachprüfung im Nachprüfungsverfahren nur verweigert werden könne, wenn ein Bieter bereits wirksam aus dem Vergabeverfahren ausgeschlossen worden sei. Dies sei hier nicht gegeben gewesen. Dennoch bestehe unionsrechtlich keine Pflicht, gegen eine solche inhaltlich falsche Entscheidung des höchsten Verwaltungsgericht einen weiteren Rechtsbehelf zu eröffnen.
Die Entscheidung ist v. a. wegen der Überlegungen des Gerichtshofs zur Reichweite des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf in Vergabeverfahren lesenswert. Diese gelten allgemein für alle vergaberechtlichen Rechtsbehelfe und sollten insbesondere bei der Anwendung der Vorschriften über das Nachprüfungsverfahren stets bedacht werden.
EuGH, Urt v. 21. Dezember 2021, Rs. C-497/20, Randstad Italia SpA