Vor der Umsetzung der Vergaberechtsreform 2014/2016 war anerkannt, daß fehlende Erklärungen und Nachweise im Vergabeverfahren nur innerhalb bestimmter Grenzen nachgefordert werden können. § 19 EG Abs. 2 Satz 1 VOL/A sah vor, daß Erklärungen und Nachweise, die auf Anforderung des Auftraggebers bis zum Ablauf der Angebotsfrist nicht vorgelegt wurden, bis zum Ablauf einer zu bestimmenden Nachfrist nachgefordert werden können. In der Spruchpraxis der Nachprüfungsinstanzen wurde das üblicherweise so verstanden, daß eine Nachforderung nur dann zulässig war, wenn geforderte Erklärungen oder Nachweise überhaupt nicht vorgelegt wurden, also physisch nicht vorhanden oder unvollständig waren, oder sonst in formaler Hinsicht nicht den Vorgaben des Auftraggebers entsprachen. Wurden Erklärungen und Nachweise zwar vorgelegt, war allerdings ihr Inhalt unzureichend (z. B. weil die angegebenen Referenzen den Mindestanforderungen an die Eignung nicht genügten), ermöglichte dies keine Nachforderung (z. B. VK Bund, Beschl. v. 14. Dezember 2011, VK 1-153/11).
Nach der aktuellen Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (Beschl. v. 28. März 2018, VII-Verg 42/17) gelten diese Grundsätze auch im Anwendungsbereich von § 56 VgV. Zwar bestimmt § 56 Abs. 2 Satz 1 VgV, daß der Auftraggeber dazu auffordern kann, fehlende, unvollständige oder fehlerhafte unternehmensbezogene Unterlagen nachzureichen, zu vervollständigen oder zu korrigieren. Die Möglichkeit der Korrektur darf jedoch nach der Auffassung des Oberlandesgerichts nicht so verstanden werden, daß nunmehr die Nachreichung inhaltlich nachgebesserter Unterlagen möglich sei. Das ergebe sich aus einer richtlinienkonformen Auslegung, da Art. 56 Abs. 3 der Richtlinie 2014/24/EU eine Korrektur fehlerhafter Unterlagen nicht vorsehe und der deutsche Verordnungsgeber über diesen Rahmen nicht habe hinausgehen wollen (auch wenn Art. 56 Abs. 3 der Richtlinie 2014/24/EU die Möglichkeit dazu biete). Auch die Möglichkeit, gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 VgV unternehmensbezogene Unterlagen zu korrigieren, erlaube daher eine Nachforderung nur dann, wenn Unterlagen in formaler Hinsicht von den Anforderungen abwichen, also insbesondere nicht oder nicht vollständig vorgelegt würden.
Damit bleibt es im Bereich der Nachforderungen bei den schon bisher anerkannten Grundsätzen. Bieter dürfen daher weiterhin nicht damit rechnen, inhaltlich defizitäre Angebotsunterlagen nachbessern zu können. Vielmehr darf jedes Angebot nur einmal inhaltlich bewertet werden.
In der Sache betraf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf das Vergabeverfahren des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zur Vergabe von Anbau, Weiterverarbeitung, Lagerung, Verpackung und Lieferung von Cannabis zu medizinischen Zwecken. Da die Antragstellerin des Nachprüfungsverfahrens eine inhaltlich unzureichende Verpflichtungserklärung eines Eignungsgebers eingereicht hatte, die nach den dargestellten Maßstäben nicht verbessert werden konnte, blieb ihr Nachprüfungsantrag erfolglos. Unabhängig davon war der Nachprüfungsantrag einer weiteren Bieterin gegen das Vergabeverfahren in der Beschwerdeinstanz erfolgreich (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28. März 2018, VII-Verg 40/17), was zu einer Neuausschreibung des Auftrags führte.