Mit Urteil vom 21. Dezember 2016 (Rs. C-51/15, Remondis GmbH & Co. KG Region Nord) hatte sich der EuGH mit derFrage befaßt, ob die Aufgabenübertragung auf einen Zweckverband dem Anwendungsbereich des Vergaberechts unterfällt. Das OLG Celle, auf dessen Vorlagebeschluß hin die Entscheidung ergangen war, hat nun abschließend über das dem Vorabentscheidungsersuchen zugrunde liegende Nachprüfungsverfahren entscheiden und sich zugunsten der Vergaberechtsfreiheit des hier betroffenen Zweckverbandes ausgesprochen.
Ausgangspunkt des Streits war die Gründung eines Zweckverbands durch die Region Hannover und die Landeshauptstadt Hannover. Beide Gebietskörperschaften hatten dem Zweckverband die Aufgabe der Abfallentsorgung und -bewirtschaftung, für die sie nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen in ihrem jeweiligen Gebiet ursprünglich zuständig waren, übertragen. Zu diesem Zweck hatten sie den Zweckverband mit den bisher von ihnen selbst betriebenen Einrichtungen zur Abfallentsorgung ausgestattet. Die Region Hannover hatte ihm sogar die Mehrheit der Anteile an der Abfallentsorgungsgesellschaft Region Hannover mbH übertragen.
Auf die Vorlage des OLG Celle hatte der EuGH in der Remondis-Entscheidung in Fortführung seiner Piepenbrock-Rechtsprechung (EuGH, Urt. v. 13. Juni 2013, Rs. C-386/11, Piepenbrock Dienstleistungen GmbH & Co. KG) die Voraussetzungen präzisiert, unter denen die Zusammenarbeit öffentlicher Stellen und die damit verbundene Übertragung von Aufgaben vergaberechtsfrei sind. Sedes materiae ist hierfür nicht erst der Ausnahmetatbestand des In-house-Geschäfts, sondern bereits das Kriterium der Entgeltlichkeit des öffentlichen Auftrags (Art. 1 Abs. 6, Art. 2 Abs. 1 Nr. 5 RL 2014/24/EU). Nach der Entscheidung des EuGH fehlt es bereits an der Entgeltlichkeit, wenn lediglich Kompetenzen umverteilt werden, wobei die Kompetenzübertragung auch die mit den Kompetenzen korrespondierenden Befugnisse umfassen muß. Dafür ist es aus der Sicht des EuGH erforderlich, daß der Zweckverband befugt ist, die Organisation der Aufgabenerfüllung und den dafür maßgeblichen Rechtsrahmen selbst zu schaffen. Zudem muß er über eine hinreichende finanzielle Unabhängigkeit verfügen, so daß die Letztverantwortung für die Aufgabenwahrnehmung bei ihm und nicht bei der ursprünglich zuständigen Stelle liegt.
In dem jetzt ergangenen Beschluß wandte das OLG Celle diese Kriterien auf den Ausgangsfall an und kam dabei zu dem Ergebnis, daß die Gründung des Zweckverbandes diesen Anforderungen genügt und somit nicht dem Vergaberecht unterliegt. Die Antragstellerin argumentierte zwar dahingehend, daß keine „echte“ Kompetenzübertragung vorliege, da der Zweckverband organisatorisch und finanziell nicht autonom von seinen Mitgliedern sei. Dafür spreche insbesondere, daß die Vertreter der Verbandsmitglieder in der Verbandsversammlung Einfluß auf die Entscheidungen des Zweckverbandes nehmen köntnen. Doch hatte sich der EuGH im Rahmen des Vorabentscheidungsersuchens bereits mit diesem Gesichtspunkt befaßt und war dabei zu dem Ergebnis gelangt (Rn. 52), daß ein „gewisses Überwachungsrecht“ der übertragenden Körperschaften unschädlich ist, solange damit keine „Einmischung in konkrete Modalitäten der Durchführung der Aufgaben, die unter die übertragene Kompetenz fallen“. Das OLG Celle führte diesen Gedanken fort und verneinte eine derartige Einmischung der Verbandsmitglieder in die konkreten Modalitäten der Aufgabendurchführung.
Im Ergebnis überrascht das nicht. Zwar kann man durchaus die Frage aufwerfen, ob die vom OLG für seine Überlegungen herangezogenen Gesichtspunkte der „demokratischen Legitimation“ der Aufgabenerfüllung durch den Zweckverband und der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 GG) letztlich tragfähig sind, nicht zuletzt da der EuGH in der Remondis-Entscheidung maßgeblich auf die tatsächliche Ausgestaltung der Kompetenzübertragung, nicht aber auf Erfordernisse des innerstaatlichen Rechts abgestellt hatte. Gleichwohl hatte sich dieser Verfahrensausgang in der EuGH-Entscheidung bereits abgezeichnet.