Die Eigentümerin eines Grundstücks beabsichtigte die Errichtung eines sechsgeschössigen Neubaus mit Staffelgeschossen in Berlin-Friedrichshagen. Der Neubau sollte u. a. eine zum fünften Obergeschoß gehörende Pergola und eine Dachterrasse aufweisen. Gegen die Baugenehmigung, die das Bezirksamt Köpenick von Berlin erteilt hatte, wandte sich der Eigentümer des Nachbarrundstücks und machte u. a. geltend, daß die Pergola und die Dachterrasse die abstandsrechtlichen Vorgaben der Berliner Bauordnung nicht einhielten. Sein Antrag, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Baugenehmigung anzuordnen, blieb vor dem Verwaltungsgericht Berlin erfolglos. Mit seiner Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg konnte er jedoch jedenfalls in Teilen den Suspensiveffekt seines Rechtsbehelfs bewirken.
Nach der Beschwerdeentscheidung des Oberverwaltungsgerichts muß die Pergola die Abstandsflächen gemäß § 6 BauO Bln einhalten. Zwar bestimmt § 6 Abs. 6 Nr. 1 BauO Bln, daß vor die Außenwand vortretende Bauteile wie Gesimse und Dachüberstände bei der Bemessung der Abstandsflächen außer Betracht bleiben. Diese Privilegierung ist nach der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts jedoch nur für untergeordnete Bauteile heranzuziehen. Daran fehlt es bei einer Pergola, die nicht lediglich aus der Wand herausragt, sondern auf vorgelagerten Stützpfeilern ruht. Darüber hinaus sah das Oberverwaltungsgericht die Voraussetzung einer gebäudegleichen Wirkung, die gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 BauO Bln für die Verpflichtung zur Einhaltung von Abstandsflächen bei Anlagen, die keine Gebäude sind, erforderlich ist, als gegeben an. Maßgeblich dafür war neben den Ausmaßen der Pergola v. a. ihre beabsichtigte Nutzung zu Aufenthaltszwecken. Kam damit eine abstandsflächenrechtliche Privilegierung nicht in Betracht, mußte die Pergola die Vorgaben an Abstandsflächen wahren. Dies war nach ihren konkreten Ausmaßen nicht der Fall.
Hinsichtlich der beabsichtigten Errichtung einer Dachterrasse stellte das Oberverwaltungsgericht zunächst fest, daß diese auf Grund ihrer gebäudegleichen Wirkung oder aber jedenfalls als Vorbau zur Außenwand abstandsflächenrelevant ist. Die danach notwendigen Abstandsflächen konnte sie ebenfalls nicht einhalten. Zwar hatte das Bezirksamt Köpenick von Berlin noch während des Rechtsstreits eine Befreiung von den Abstandsflächenvorschriften erteilt. Das Oberverwaltungsgericht hatte aber erhebliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit, da die Dachterrasse mit den Schutzzielen des Abstandsflächenrechts nicht zu vereinbaren war. Da die Dachterrasse eine besondere Schalleinwirkung auf die Dachfenster des Nachbargebäudes ermöglicht hätte, hätte sie die Belange des Nachbarn in besonderem Maße beeinträchtigt. Die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen sollen aber gerade auch dazu dienen, einen hinreichenden Sozialabstand zu gewährleisten und dadurch den Wohnfrieden zu fahren. Dies umfaßt den Schutz der Privatsphäre sowohl vor Einsichtsmöglichkeiten als auch vor Immissionen, die von der Benutzung des Nachbargrundstücks ausgehen. Damit konnte die vom Bezirksamt erteilte Befreiung keinen Bestand haben.
Die weiteren Beanstandungen des Nachbarn, die sich u. a. auf die Wahrung der Abstandsflächen durch weitere Gebäudeteile, auf den Brandschutz und auf die Einhaltung des Gebots der Rücksichtnahme bezogen, drangen in der Beschwerdeinstanz nicht durch. Im Ergebnis ordnete das Oberverwaltungsgericht daher die aufschiebende Wirkung des Nachbarwiderspruchs nur hinsichtlich der Pergola und der Dachterrasse an.
OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 24. November 2016, OVG 10 S 5.16