Mit einem aktuellen Urteil hat das OLG München zur Zulässigkeit einer Vergütungsvereinbarung mit einem Rechtsanwalt Stellung genommen. Der Entscheidung lag ein Mandat zugrunde, das einem auf das Arbeitsrecht spezialisierten Rechtsanwalt erteilt worden war. Gegenstand der Beauftragung war die Überarbeitung eines Anstellungsvertrages für einen Geschäftsführer. Rechtsanwalt und Mandant schlossen eine Vergütungsvereinbarung, die eine Honorierung nach Stunden vorsah, gleichzeitig aber folgende Regelung enthielt:
„Die Kanzlei erhält in allen Fällen, sowohl im Falle der Beratung als auch bei außergerichtlicher und/oder gerichtlicher Vertretung, mindestens das Zweifache der gesetzlichen Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) einschließlich Vergütungsverzeichnis (VV) unter Berücksichtigung der Streitwertregelung gemäß folgendem Absatz.“
Nach Abschluß der Arbeiten stellte der Rechtsanwalt eine Honorarrechnung, der er das Doppelte der gesetzlichen Vergütung nach dem RVG zugrunde legte. Nachdem der Mandant die Zahlung verweigert hatte, erhob der Rechtsanwalt Klage. Ebenso wie bereits zuvor das LG München I stellte auch das OLG München in der Berufungsinstanz fest, daß die Vergütungsvereinbarung wirksam ist. Es liege insbesondere keine überraschende Klausel im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB vor, da kein Überraschungsmoment erkennbar sei. Vielmehr enthalte die von dem Rechtsanwalt verwendete Vergütungsvereinbarung gleichberechtigt nebeneinander sowohl eine Abrede über ein Stundenhonorar als auch die hier zur Anwendung gekommene Bestimmung, nach der mindestens das Doppelte der gesetzlichen Vergütung geschuldet ist. Auch ein Verstoß gegen das AGB-rechtliche Transparenzgebot scheide aus, da daraus insbesondere nicht hergeleitett werden könne, daß die Vergütungsvereinbarung vorab festhält, wie hoch die Vergütung letztlich ausfällt. Vielmehr entspricht es gerade der Vereinbarung einer zeit- oder wertabhängigen Vergütung, daß deren Höhe im vorhinein nicht feststeht.
Darüber hinaus ist die Vereinbarung des Zweifachen der gesetzlichen Vergütung nach der Auffassung des OLG München auch nicht unangemessen hoch i. S. v. § 3a Abs. 2 Satz 1 RVG. Nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH ist eine Honorarvereinbarung jedenfalls dann unangemessen, wenn sie mehr als das Fünffache des gesetzlichen Honorars vorsieht (BGH, Urt. v. 4. Februar 2010, IX ZR 18/09; BGH, Urt. v. 21. Oktober 2010, IX ZR 37/10). Davon ist die hier geschlossene Vereinbarung jedoch weit entfernt. Auf den sich aus der Vereinbarung rechnerisch ergebenden Stundensatz kann dabei nicht abgestellt werden, da die Wertgebühren des RVG gerade nicht vom Ausmaß der tatsächlich geleisteten Arbeit abhängen.
Schließlich sah das Gericht auch keine Anhaltspunkte für eine Pflichtverletzung des Rechtsanwalts. Insbesondere war er nicht verpflichtet, beim Eingehung des Mandats darauf hinzuweisen, wie hoch die Vergütung voraussichtlich ausfallen wird und ob die Vergütung nach dem Stundensatz oder aber nach der vom Gegenstandswert abhängigen Mindestklausel berechnet wird. Denn dies hätte erfordert, daß der Rechtsanwalt bei seiner Beauftragung bereits hinreichend zuverlässig hätte angeben können, wie hoch das jeweilige Honorar ausfallen wird. Dies war jedoch anhand der ihm zur Verfügung stehenden Informationen gar nicht möglich, so daß der Mandant auch nicht verlangen konnte, vorab darüber aufgeklärt zu werden.
Nachtrag: Wie hier zu lesen ist, haben sich auch die Gebührenreferenten der Rechtsanwaltskammern auf ihrer 74. Tagung mit der Entscheidung befaßt. Sie gelangten dabei einstimmig zu der Auffassung, daß die Entscheidung falsch sei, weil sie insbesondere die Vorschrift des § 4 Abs. 3 Satz 2 RVG nicht beachte. Vorbehaltlich der Einzelheiten der Begründung dieser Auffassung, die in der Berichterstattung über die Tagung nicht mitgeteilt werden, vermag diese Ansicht nicht recht zu überzeugen. § 4 Abs. 3 Satz 2 RVG bestimmt, daß die Vereinbarung einer Vergütung, deren Festsetzung dem Ermessen eines Vertragsteils überlassen wird, nur dazu führt, daß die gesetzliche Vergütung als vereinbart gilt. Offenbar beruht die Auffassung der Gebührenreferenten auf der Überlegung, daß das Ermessen, das § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG dem Rechtsanwalt bei der Bestimmung der Gebühr einräumt, einer Vergütungsvereinbarung, die an die gesetzlichen Gebührenregelungen anknüpft, im Wege steht.
Es dürfte allerdings einiges dafür sprechen, daß § 4 Abs. 3 Satz 2 RVG nur solche Vergütungsvereinbarungen meint, die die Festsetzung der Vergütung vollständig dem Ermessen eines Vertragsteils überlassen. Daß hingegen der von § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG dem Rechtsanwalt eingeräumte Ermessensspielraum, der sich nur auf eine einzelne für die Bestimmung der Vergütung maßgebliche Frage bezieht, aus der Sicht des Gesetzgebers unbedenklich ist, zeigt sich bereits darin, daß der Gesetzgeber selbst diesen Ermessensspielraum innerhalb der gesetzlichen Vergütungsbestimmungen angeordnet hat. Eine Vergütungsvereinbarung, die auf diesen Ermessensspielraum verweist, gleichzeitig aber in anderen Punkten – wie hier mittels einer Verdoppelung der Vergütung – von den gesetzlichen Bestimmungen abweicht, ist damit nicht mehr und nicht minder ausgeglichen als die gesetzliche Regelung selbst. Unter dem Gesichtspunkt der Transparenz kann eine solche Vereinbarung sogar mandantenfreundlicher sein als die allgemein als zulässig erachteten Stundensatzvereinbarungen, da sie von vornherein deutlich macht, in welchem Ausmaß von der gesetzlichen Vergütung abgewichen wird. Bei der Vereinbarung eines Stundenhonorars ist das hingegen häufig nicht absehbar.