Das Rechtsmittelrecht der VwGO ist eine nicht immer einfach zu meisternde Materie. Die ausdifferenzierten Verfahrensvorgaben führen in der Praxis vielfach zu Auseinandersetzungen über Verfahrensfragen, die bei einer genauen Beachtung des Verfahrensrechts durch die Beteiligten durchaus vermieden werden könnten. Ein anschauliches Beispiel dafür liefert der Beschluß des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 12. Oktober 2016 (Az. 1 B 10.16). Er betraf die Klage eines Straßenunterhaltspflichtigen gegen eine Eigentümerin von Telekommunikationsleitungen, die unter der Straße verlegt waren. Nachdem der Kläger in der ersten Instanz vor dem Verwaltungsgericht obsiegt hatte und das Verwaltungsgericht die Berufung gegen sein Urteil zugelassen hatte, legte die Beklagte Berufung ein und adressierte die Berufungsschrift an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg. Dies entsprach nicht den Vorgaben aus § 124a Abs. 2 Satz 1 VwGO, nach denen die Berufung, wenn sie vom Verwaltungsgericht zugelassen wurde, beim Verwaltungsgericht selbst und nicht beim Oberverwaltungsgericht einzulegen ist. Nachdem der Vorsitzende des zuständigen Senats die Beklagte auf den Fehler hingewiesen hatte, legte diese beim Verwaltungsgericht erneut Berufung ein; dies geschah allerdings nach Ablauf der Berufungsfrist, so daß die Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragte.
Mit diesem Begehren hatte sie keinen Erfolg. Zwar trug sie vor, daß eine Mitarbeiterin der Rechtsanwaltskanzlei versehentlich und weisungswidrig die Anschrift des Oberverwaltungsgerichts statt derjenigen des Verwaltungsgerichts in den Schriftsatz eingetragen habe. Doch genügt dies nicht, um ein unverschuldetes Fristversäumnis anzunehmen. Denn nach der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts obliegt die Prüfung der Formalien eines Rechtsmittels dem Rechtsmittelführer. Diese Aufgabe darf er nicht seinem Büropersonal übertragen, ohne das Arbeitsergebnis selbst zu überprüfen. Auch das weitere Argument der Beklagten, nach dem es dem Oberverwaltungsgericht oblegen hätte, die offensichtlich fehlerhafte Rechtsmittelschrift an das Verwaltungsgericht weiterzuleiten, überzeugte das Oberverwaltungsgericht nicht: Denn da die Berufungsschrift am letzten Tag der Berufungsfrist beim Oberverwaltungsgericht eingegangen war, hätte der Schriftsatz auch bei einer sofortigen Weiterleitung nicht vor dem nächsten Werktag das Verwaltungsgericht erreicht. Die Einlegung des Schriftsatzes in das Postfach des Verwaltungsgerichts, das beim Oberverwaltungsgericht zum Zwecke des Postaustauschs zwischen den Gerichten eingerichtet ist (sogenanntes Gerichtsfach), reicht dafür nicht aus, da die Berufung allein damit dem Verwaltungsgericht noch nicht zugegangen ist.
Im Ergebnis führte dies dazu, daß die Berufung verworfen wurde.
OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 12. Oktober 2016, 1 B 10.16