In einer aktuellen Entscheidung hat sich die 2. Vergabekammer des Bundes erneut mit der Frage beschäftigt, in welchem Umfang die vergaberechtlichen Bestimmungen über die Auskömmlichkeitsprüfung (Preisangemessenheitsprüfung) subjektive Rechte der Bieter begründen. Dem Verfahren lag ein Verfahren zur Vergabe von Tiefbauleistungen zugrunde. Die Antragstellerin des Nachprüfungsverfahrens machte im wesentlichen geltend, das Angebot der vorgesehenen Zuschlagsempfängerin sei auszuschließen, da es unauskömmlich sei. Es sei udem zmit dem Ziel abgegeben worden, die Wettbewerber vom Markt zu verdrängen.
Die Vergabekammer lehnte den Nachprüfungsantrag bereits als unzulässig ab, da die Antragstellerin nicht antragsbefugt (§ 107 Abs. 2 GWB a. F.) sei. Sie habe nicht dargetan, in ihren eigenen Rechten verletzt zu sein, da ihr die vergaberechtlichen Bestimmungen über die Auskömmlichkeitsprüfung (hier: § 16 EG Abs. 6 VOB/A a. F.) keinen Anspruch auf Ausschluß des Konkurrenzangebotes vermittelten. Die Begründung steht im Einklang mit der vorherrschenden Auffassung, nach der die vergaberechtliche Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers, Angebote auf die Angemessenheit ihrer Preise zu prüfen, vorrangig seinem eigenen Schutz dient. Er soll davor bewahrt werden, daß ein Bieter den Zuschlag erhält, der mangels eines angemessenen Preises nicht die Gewähr dafür bietet, den Auftrag ordnungsgemäß und mängelfrei auszuführen. Hieraus folgt zunächst, daß es nicht Zweck der Preisangemessenheitsprüfung ist, den betroffenen Bieter selbst davor zu schützen, daß er sich verkalkuliert und ein unauskömmliches Angebot abgibt. Mit Blick auf die Konkurrenten des Bieters begründen die Bestimmungen über die Auskömmlichkeitsprüfung ebenfalls keine subjektiven Rechte. Anders ist dies nur dann, wenn der Zuschlag auf das jeweilige Angebot gegen den Wettbewerbsgrundsatz verstößt. Anerkannt ist ein solcher Verstoß gegen den Wettbewerbsgrundsatz dann, wenn der Bieter aufgrund einer Unauskömmlichkeit seines Angebots voraussichtlich in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten und den Auftrag nicht ordnungsgemäß ausführen wird, und ferner auch dann, wenn ein Unterkostenangebot in der Absicht abgegeben wurde, zielgerichtet andere Unternehmen vom Markt zu verdrängen. Die Vergabekammer schloß sich dieser gefestigten Spruchpraxis der Vergabenachprüfungsinstanzen an und wies insbesondere zutreffend darauf hin, daß aus der Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 29. März 2012, Rs. C-599/10, SAG ELV slovensko a. s.) nichts anderes folgt. Gegenstand der dortigen Entscheidung war nämlich lediglich der Anspruch des von einem Ausschluß bedrohten Bieters auf Durchführung eines kontradiktorischen Verfahrens zur Aufklärung der von ihm angebotenen Preise, nicht jedoch ein mögliches Recht der Konkurrenten auf Ausschluß eines ungewöhnlich niedrigen Angebotes.
Für ein wettbewerbsbeschränkendes oder unlauteres Angebot bestanden im vorliegenden Fall nach der Auffassung der Vergabekammer allerdings keine Anhaltspunkte. Insbesondere konnte die Vergabekammer keine wettbewerbswidrige Verdrängungsabsicht erkennen, da der betroffene Markt insgesamt von einem hohen Wettbewerbsdruck gekennzeichnet sei und der betroffene Bieter lediglich das wettbewerblich legitime Ziel verfolgt habe, seine eigenen Zuschlagschancen zu erhöhen. Dies führte zur Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags.
Die Entscheidung bestätigt damit erneut die schon bisher in der Spruchpraxis der Vergabenachprüfungsinstanzen weit verbreitete Annahme eines nur begrenzten Konkurrentenschutzes der Auskömmlichkeitsprüfung. Eine gewisse Neuakzentuierung dieses Verständnisses wird sich freilich auf Grund der Neuregelung in § 60 Abs. 3 VgV ergeben, die im Falle eines zu erwartenden Verstoßes des Bieters gegen Rechtsvorschriften, insbesondere aus dem Umwelt-, Sozial- oder Arbeitsrecht, bei der Auftragsausführung und eines deshalb ungewöhnlich niedrigen Angebotspreises den Ausschluß des jeweiligen Angebotes zwingend verlangt. Die bisherige Grundkonzeption der Auskömmlichkeitsprüfung läßt diese Neuregelung aber unverändert. Insbesondere konnte schon bisher ein ungewöhnlich niedriger Preis, der durch einen während des Auftrags zu erwartenden Rechtsbruch zustande kam, wettbewerblich nicht gerechtfertigt werden und mußte zum Angebotsausschluß führen.