Die BVG und die EEG-Umlage

Wie der Tagespresse entnommen werden konnte, führen die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) derzeit einen eher ungewöhnlichen Rechtsstreit gegen das Bundesamt für und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Er dreht sich im Kern um die Gewährung einer Ausgleichszahlung nach den §§ 40 ff. EEG 2009 (inzwischen: §§ 63 ff. EEG 2017), die die BVG für das Jahr 2012 beantragt, aber nicht erhalten haben. Nach der Systematik des EEG wird die Ausgleichszahlung, d. h. eine Begrenzung der EEG-Umlage, für stromkostenintensive Unternehmen und für Schienenbahnen gewährt, um deren internationale bzw. intermodale Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Formelle Voraussetzung hierfür ist ein Antrag, der gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 EEG 2009 (§ 66 Abs. 1 Satz 1 EEG 2017) jeweils bis zum 30. Juni eines Jahres für das folgende Kalenderjahr zu stellen ist. Der Antrag, den die BVG am 29. Juni 2011 für das Jahr 2012 beim BAFA eingereicht hatten, war jedoch aus der Sicht des BAFA unvollständig, da Stromrechnungen zweier Energieversorger für das vorangegangene Jahr fehlten, und wurde abgelehnt. Die Klage der BVG vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt a. M. und die Berufung vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof blieben erfolglos.

Abgesehen von den wirtschaftlichen Auswirkungen – gestritten wird um über 11 Millionen EUR – ist die Angelegenheit auch in rechtlicher Hinsicht interessant. Die maßgeblichen Rechtsfragen lassen sich dem veröffentlichten Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 13. September 2016, 6 A 53/15, entnehmen. Auf einen entsprechenden Einwand des BAFA hin hat der VGH zunächst erwogen, ob die besondere Ausgleichsregelung, d. h. die Begrenzung der EEG-Umlage, überhaupt auf Unternehmen der öffentlichen Hand Anwendung findet. Da die BVG als Anstalt des öffentlichen Rechts in der Trägerschaft des Landes Berlin stehen, sah das BAFA darin einen Verstoß gegen die in Art. 105 ff. GG niedergelegten Grundsätze der Finanzverfassung, da in der Sache eine Begünstigungsentscheidung mit Aufkommenswirkung zugunsten der öffentlichen Hand getroffen werde. Die bisherige Entscheidungspraxis des BAFA, nach der auch öffentliche Unternehmen von der Ausgleichsregelung profitieren können, wäre damit hinfällig geworden. Der VGH folgte dem freilich nicht: Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BGH, daß die EEG-Umlage keine Sonderabgabe darstellt, da es ihr an der Aufkommenswirkung zugunsten der öffentlichen Hand gerade fehlt. Das EEG begründet insoweit lediglich Leistungs-, Abnahme- und Zahlungspflichten zwischen Privaten, ohne eine Abgabenpflicht zu begründen. Im übrigen ging auch der Gesetzgeber bereits bei der Schaffung des Ausgleichsmechanismus davon aus, daß Unternehmen der öffentlichen Hand ebenso wie private Unternehmen von der EEG-Ausgleichsregelung profitieren können.

Damit kam es für den Anspruch der BVG auf Gewährung der Ausgleichszahlung maßgeblich darauf an, ob sie einen vollständigen Antrag eingereicht hatten. Unstreitig waren die als fehlend beanstandeten Stromrechnungen Voraussetzung für eine positive Bescheidung des Antrags. Bei der in § 43 Abs. 1 Satz 1 EEG 2009 vorgesehenen Antragsfrist handelt es sich um eine materielle Ausschlußfrist; § 66 Abs. 1 Satz 1 EEG 2017 stellt das inzwischen ausdrücklich klar. Das Bundesverwaltungsgericht hat dies unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten gebilligt (BVerwG, Urt. v. 10. Dezember 2013, 8 C 24/12, 8 C 25/12). Ob der Antrag der BVG tatsächlich fristgerecht vollständig eingereicht wurde, ließ sich auch im Berufungsverfahren nicht klären. Der VGH hatte hierzu mehrere Zeugen, offenbar Mitarbeiter der BVG und des BAFA, vernommen; der Sachverhalt konnte dennoch nicht aufgeklärt werden. Nach der von den Mitarbeitern der BVG geschilderten Vorgehensweise bei der Zusammenstellung der Antragsunterlagen konnte jedenfalls aus der Sicht des VGH nicht ausgeschlossen werden, daß die im Streit stehenden Rechnungen versehentlich nicht Bestandteil des Antrags wurden. Umgekehrt ergaben sich keine Anzeichen dafür, daß nach Eingang des Antrags beim BAFA Teile der Unterlagen abhandengekommen sind.

Die Entscheidung war damit nach den Grundsätzen der materiellen Beweislastverteilung zu treffen. Auch wenn eine formelle Darlegungs- und Beweislast im Verwaltungsprozeß auf Grund des Amtsermittlungsgrundsatzes nicht besehen, gilt jedoch auch hier wie im Zivilprozeß die materielle Regel, daß die Nichterweislichkeit einer Tatsache zu Lasten desjenigen geht, der sich auf sie beruft. Daß nicht aufgeklärt werden konnte, ob der Antrag vollständig war, ging daher zu Lasten der BVG als Antragstellerin.

Abschließend erwog der VGH, ob unter dem Gesichtspunkt der Nachsichtgewähr eine davon abweichende Beurteilung geboten sei. Auch diese Überlegung verwarf das Gericht allerdings: Für ein behördliches Fehlverhalten, das Anknüpfungspunkt für eine Nachsichtgewähr sein kann, ergaben sich keine Anhaltspunkte. Vielmehr hatten die BVG nach der Auffassung des VGH ihrerseits nicht alles ihnen Mögliche getan, um sicherzustellen, daß ein ordnungsgemäßer Antrag eingereicht wird. Das interne Kontrollsystem der BVG stufte der VGH vielmehr als unzureichend ein. Aus diesem Grund kam auch eine Nachsicht unter dem Gesichtspunkt der höheren Gewalt nicht in Betracht.

Wie in der Presse zu lesen war, hat die BVG gegen die Entscheidung Nichtzulassungsbeschwerde erhoben.

Hessischer VGH, Urt. v. 13. September 2016, 6 A 53/15

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