Die seit einiger Zeit lebhaft geführte Diskussion um die vergaberechtlichen Anforderungen an die Transparenz der Zuschlagskriterien hat mit einem aktuellen Beschluß des Bundesgerichtshofs ihr vorläufiges Ende gefunden. Den Ausgangspunkt der Debatte bildeten mehrere Entscheidungen des Oberlandesgerichts Düsseldorf (u. a. Beschl. v. 16. Dezember 2015, VII-Verg 25/15), die verkürzt häufig als „Schulnoten-Rechtsprechung“ bezeichnet werden. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte darin entschieden, daß die Bewertung der Qualität eines Angebots allein anhand von Schulnoten, die im vorhinein keinen Schluß darauf zulassen, welchen Erfüllungsgrad oder Zielerreichungsgrad die Angebote hinsichtlich einzelner Qualitätskriterien aufweisen müssen, intransparent sei. Eine solche Bewertungsmethode erlaube es dem Bieter nicht, bei der Angebotslegung zu erkennen, unter welchen Voraussetzungen sein Angebot mit einer bestimmten Note oder einer bestimmten Punktzahl bewertet wird.
Nachdem der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 14. Juli 2016 (Rs. C-6/15, Dimarso) erläutert hatte, daß das EU-Recht jedenfalls vor Inkrafttreten der Vergaberechtsreform 2014 nicht verlangt, daß der öffentliche Auftraggeber vorab die von ihm vorgesehene Bewertungsmethode bekanntgibt, hat das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Beschluß vom 8. März 2017 (VII-Verg 39/16) seine bisherige Rechtsprechung zu dieser Frage relativiert. Bereits zuvor hatte allerdings das Oberlandesgericht Dresden in einem Nachprüfungsverfahren über die Vergabe von Postdienstleistungen auf Grund einer beabsichtigten Abweichung von der Düsseldorfer Rechtsprechung den Bundesgerichtshof angerufen.
Dieser hat nun entschieden, daß es unter den Gesichtspunkten der Transparenz und des Wettbewerbs in der Regel nicht zu beanstanden ist, wenn der öffentliche Auftraggeber für die Erfüllung qualitativer Wertungskriterien Noten mit zugeordneten Punktwerten vergibt, ohne daß die Vergabeunterlagen nähere Angaben dazu enthalten, wovon die jeweils zu erreichende Punktzahl im einzelnen abhängen soll. Der Bundesgerichtshof begründet dies damit, daß eine Bewertungsmethode, bei der die Erfüllung von Qualitätskriterien anhand von Konzepten bemessen wird, einer Vergabe auf der Grundlage einer funktionalen Leistungsbeschreibung ähnele. Es sei dann aber gerade Sinn des Vergabewettbewerbs, daß die Bieter Lösungen für die Fragestellung des Auftraggebers erarbeiteten. Müßte der Auftraggeber hingegen im vorhinein festlegen, welche Erwartungen er mit der Erfüllung einzelner Kriterien verbindet, so würde ihm eine Aufgabe auferlegt, die er ursprünglich auf die Bieter übertragen wollte. In Zusammenschau mit den im konkreten Fall gebildeten Unterkriterien hielt der Bundesgerichtshof damit die Vorgaben des Auftraggebers für hinreichend transparent und wettbewerbskonform.
Die Entscheidung, die sich anders als noch der Beschluß des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 2. November 2016 auf das seit dem 18. April 2016 geltende Vergaberecht bezieht, bringt Klarheit und dürfte insbesondere unter denjenigen Auftraggebern, die die Anforderungen der „Schulnoten-Rechtsprechung“ als praktisch unerfüllbar eingestuft haben, für Erleichterung sorgen. Gleichwohl darf sie nicht als Freibrief für einen allzu großzügigen Umgang mit qualitativen Zuschlagskriterien angesehen werden. Im konkret entschiedenen Fall hatte der Auftraggeber zwar keine Erfüllungsgrade vorgegeben. Den Bietern war aber auf Grund des Inhalts der nachgefragten Leistung und auf Grund der vom Auftraggeber gebildeten Unterkriterien klar, welche Anforderungen der Auftraggeber an die Angebote stellte und worauf es ihm bei den von den Bietern zu erarbeitenden Konzepten ankam. Schweigen hingegen die Vergabeunterlagen auch insoweit, stellt sich die Frage nach der Transparenz der Zuschlagskriterien regelmäßig ganz unabhängig von der Geltung einer „Schulnoten-Rechtsprechung“.
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