VG Wiesbaden: Rechtliche Bedenken gegen das Verfahren zur Vergabe von Sportwettenkonzessionen

In dem Dauerstreit um die Vergabe von Sportwettenkonzessionen hat das Verwaltungsgericht ‎Wiesbaden mit mehreren Eilbeschlüssen vom 16. April 2015 und vom 5. Mai 2015 die beabsichtigte Konzessionsvergabe ‎vorläufig gestoppt. Grundlage des Vergabeverfahrens ist die sogenannte Experimentierklausel in § ‎‎10a des Glücksspielstaatsvertrages (GlüStV), nach der befristet für einen Zeitraum von sieben ‎Jahren ab dem 1. Juli 2012 bis zu 20 Sportwettenkonzessionen an private Anbieter vergeben ‎werden können. Das staatliche Glücksspielmonopol (§ 10 GlüStV) wird insoweit gelockert, um eine ‎bessere Erreichung der Ziele des Glückspielstaatsvertrages zu erproben (§ 10a Abs. 1 GlüStV). Seit ‎Beginn des Vergabeverfahrens hatten sich bereits mehrere Verwaltungsgerichte mit ‎verschiedenen Beanstandungen der an einer Konzession interessierten Bewerber auseinandergesetzt (u. a. VG ‎Wiesbaden, Beschl. v. 13. September 2012, 5 L 1081/12 WI; VG Berlin, Urt. v. 23. Mai 2014, 23 K ‎‎512.12; VG München, Beschl. v. 18.03.2015, Az.: M 16 E 14.4518). Mit den jetzt ergangenen ‎Eilbeschlüssen hat das Verwaltungsgericht Wiesbaden dem für die Konzessionsvergabe ‎bundesweit zuständigen Land Hessen im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig  die ‎Konzessionserteilung untersagt. Das Gericht beanstandet insbesondere die mangelnde ‎Transparenz des Vergabeverfahrens, in dem weder die an die Angebote gestellten ‎Mindestanforderungen noch die Bewertungsmatrix hinreichend bekannt gemacht worden seien. ‎Zudem sei der Ablauf des Verfahrens selbst nicht mit der gebotenen Transparenz und Eindeutigkeit ‎vorab festgelegt worden, so dass den Bewerbern nicht klar sei, bis wann welche Nachweise ‎beigebracht werden mussten und innerhalb welches Zeitraums mit einer Konzessionserteilung zu ‎rechnen sei. Hinzu trete, daß die Entscheidungsfindung im sogenannten Glücksspielkollegium, ‎einem länderübergreifenden Ausschuß (§ 9a Abs. 5 bis 8 GlüStV), insbesondere mangels ‎hinreichender Begründung fehlerhaft sei; zudem könne ein einzelnes Land wohl nicht an die ‎Entscheidungen eines länderübergreifenden Gremiums gebunden werden, das seine Beschlüsse ‎auch gegen den Willen des betroffenen Landes fassen könne. Auch konzeptionelle Mängel des ‎Verfahrens beanstandete das Gericht.‎

Die Eilbeschlüsse des Verwaltungsgerichts sind insbesondere unter dem Blickwinkel der ‎Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Vergabeverfahren im vergaberechtlich nicht geregelten ‎Bereich aufschlußreich. Die Vergabe von Glücksspielkonzessionen unterfällt nicht dem ‎Kartellvergaberecht. Die rechtlichen Anforderungen an das Vergabeverfahren ergeben sich vielmehr im ‎wesentlichen aus dem Glücksspielstaatsvertrag, der die zuständige Behörde zur Durchführung ‎eines transparenten und diskriminierungsfreien Auswahlverfahrens verpflichtet (§ 4b Abs. 1 Satz 1 ‎GlüStV). Hinzu treten der aus Art. 3 Abs. 1 GG folgende Gleichbehandlungsgrundsatz sowie die ‎Dienstleistungsfreiheit des Art. 56 AEUV (dazu grundlegend EuGH, Urt. v. 6. November 2003, Rs. C-‎‎243/01, Gambelli). Trotz dieses unterschiedlichen Rechtsrahmens gleichen sich jedoch die ‎inhaltlichen Anforderungen eines verwaltungsrechtlich geprägten Auswahlverfahrens (dazu auch ‎Hess. VGH, Beschl. v. 23. Juli 2012, 8 B 2244/11) und eines Vergabeverfahrens im eigentlichen Sinne ‎in vielem. Namentlich die Grundsätze der Transparenz und der Nichtdiskriminierung können ‎letztlich verfahrensartübergreifend konkretisiert werden, so daß es naheliegt, in ‎Verwaltungsverfahren der hiesigen Art auf vergaberechtliche Erkenntnisse zurückzugreifen. ‎Weitere Rechtsprechung insbesondere der Beschwerdeinstanz bleibt abzuwarten.‎

VG Wiesbaden, Beschl. v. 16. April 2015, 5 L 1558/14.WI; Beschl. v. 5. Mai 2015, 5 L 1453/14.WI.

VK Bund: Unbefristete Aufträge sind regelmäßig unzulässig

Mit drei Beschlüssen in parallel geführten Nachprüfungsverfahren, die denselben Auftragskomplex betreffen, hat sich die 2. Vergabekammer des Bundes zur Zulässigkeit der Vergabe unbefristeter Dienstleistungsaufträge geäußert. Gegenstand der Nachprüfungsverfahren war die Vergabe von Postdienstleistungen, hinsichtlich derer in allen drei Nachprüfungsverfahren die Zuschlagsentscheidung des Auftraggebers beanstandet wurde. Von Amts wegen griff die Vergabekammer allerdings einen weiteren Gesichtspunkt auf, den die Beteiligten nicht in das Nachprüfungsverfahren eingeführt hatten. Die Auftragsbekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der EU enthielt in Abschnitt II.2.3 folgende Angabe: „ Dieser Vertrag kann verlängert werden: ja.“ Obgleich der ausgeschriebene Vertrag lediglich eine Laufzeit von drei Jahren vorsah keine Angaben zu einer etwaigen Verlängerung enthielt und obgleich die Angabe in der Bekanntmachung möglicherweise gar nicht vom Auftraggeber herrührte, sondern auf einem Versehen des Amtes für Veröffentlichungen der EU beruhte, verstand die Vergabekammer die Angabe so, daß sie jedenfalls als Grundlage für eine zwischen den Vertragspartnern zu einem späteren Zeitpunkt einvernehmlich zu verabredende Vertragsverlängerung über die ursprünglich vorgesehene Laufzeit hinaus dienen könne. Eine solche Verlängerung sei dann möglicherweise nicht als unzulässige De-facto-Vergabe, sondern als Ausschöpfung einer bereits in dem ursprünglichen Vergabeverfahren angelegten Ausgestaltung des Auftrags anzusehen. Darin erblickte die Vergabekammer einen Verstoß gegen den vergaberechtlichen Wettbewerbsgrundsatz, der grundsätzlich der Vergabe unbefristeter Aufträge im Wege stehe. Andernfalls würden diese dauerhaft dem Wettbewerb entzogen, wofür jedenfalls hier bei einer Vergabe in dem vergleichsweise jungen Briefmarkt keine rechtfertigenden Gründe erkennbar seien. Ohnehin kam hier hinzu, daß die Vergabekammer den angestrebten Vertrag als Rahmenvereinbarung einstufte, deren Laufzeit gemäß § 4 Abs. 7 VOL/A-EG i. d. R. vier Jahre nicht überschreiten darf.

Die Vergabekammer entwickelt mit diesen Entscheidungen die Diskussion um die Zulässigkeit unbefristeter Verträge maßgeblich fort. In der Rechtsprechung des EuGH ist bislang lediglich geklärt, daß nach dem derzeitigen Stand des Vergaberechts abgesehen von dem für Rahmenvereinbarungen geltenden Sonderfall keine allgemeine Obergrenze für die Laufzeit öffentlicher Aufträge gilt, auch wenn unbefristet abgeschlossene Verträge unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbsgrundsatzes bedenklich sein können (EuGH, Urt. v. 19. Juni 2008, Rs. C-454/06, pressetext Nachrichtenagentur GmbH, Rn. 73 f.; zu Konzessionen: EuGH, Urt. v. 25. März 2010, Rs. C-451/08, Helmut Müller GmbH, Rn. 79). Die innerstaatlichen Gerichte haben daher unbefristete Verträge in den bislang zu entscheidenden Fällen für zulässig erachtet (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1. Oktober 2003, VII-Verg 45/03; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4. Februar 2013, VII-Verg 31/12). Diesen lag freilich teilweise ein von der hiesigen Situation erheblich abweichender Sachverhalt zugrunde (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4. Februar 2013, VII-Verg 31/12: Suche eines unternehmerischen Partners für eine zu gründende Tochtergesellschaft), der schon seinem Wesen nach deutlich stärker auf eine langfristige vertragliche Bindung ausgerichtet ist als die hier betroffene Vergabe von Postdienstleistungen. Mit der jetzt geäußerten Auffassung der Vergabekammer ist nunmehr davon auszugehen, daß unbefristete Verträge nur noch im Einzelfall gerechtfertigt sein können, widrigenfalls sie gegen den Wettbewerbsgrundsatz verstoßen (s. dazu auch Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl., § 99 GWB Rn. 81 ff.). Abzuwarten bleibt, wie sich die in allen drei Verfahren angerufene Beschwerdeinstanz dazu verhalten wird.

VK Bund, Beschl. v. 8. April 2015, VK 2-21/15; Beschl. v. 9. April 2015, VK 2-19/15; Beschl. v. 16. April 2015, VK 2-16/15.