Mit interessanten Fragen des Justizverwaltungsrechts befaßt sich ein aktueller Beschluß des Kammergerichts, der in einem strafrechtlichen Revisionsverfahren ergangen ist. Ihm lag zugrunde die Verurteilung eines Angeklagten durch eine kleine Strafkammer des Landgerichts Berlin. Diese war in der Hauptverhandlung mit einem Richter am Amtsgericht als Vorsitzendem besetzt, der auch im Geschäftsverteilungsplan als Vorsitzender der Kammer ausgewiesen war. Die Revision konnte darlegen, daß in der betreffenden Kammer des Landgerichts Berlin seit vielen Jahren lediglich Richter im Eingangsamt (R 1) als Vorsitzende eingesetzt wurden.
Das Kammergericht sah darin einen Verstoß gegen § 21f Abs. 1 GVG, wonach der Vorsitz in den Spruchkörpern u. a. bei Landgerichten von Vorsitzenden Richtern geführt wird. Dies sind Vorsitzende Richter i. S. v. § 19a Abs. 1 DRiG, also Richter im Beförderungsamt. Nach der Sichtweise des Kammergerichts kann von dieser Vorgabe nur in engen Ausnahmen abgesehen werden, insbesondere in Fällen der Vertretung, die nach § 21f Abs. 2 GVG oder nach § 21e Abs. 1 Satz 1 GVG geregelt werden kann. Damit seien jedoch nur Fälle der vorübergehenden Verhinderung eines Vorsitzenden gemeint, nicht hingegen Fälle der dauerhaften Vakanz der Vorsitzendenstelle etwa wegen Versetzung des Vorsitzenden. Ein solcher Fall der vorübergehenden Verhinderung lag hier ersichtlich nicht vor, da die Stelle des Vorsitzenden seit Jahren vakant war und lediglich mit Richtern am Amtsgericht oder Richtern am Landgericht besetzt wurde, denen diese Stelle im Rahmen ihrer richterlichen Erprobung übertragen wurde. Einen Vorsitzenden, der hätte vertreten werden können, gab es schon lange nicht mehr.
Allerdings erachtet es das Kammergericht trotz dieser Grundsätze für zulässig, den Kammervorsitz einem Richter, der nicht Vorsitzender Richter ist, zu übertragen, wenn dies der Erprobung dieses Richters dient. Die richterliche Erprobung ist als Mittel der Eignungsbeurteilung bereits seit längerem in der Rechtsprechung anerkannt; ebenfalls anerkannt ist, daß in diesem Rahmen Richter außerhalb ihres Statusamtes auf höherwertigen Statusämtern eines höheren Gerichts eingesetzt werden dürfen. Freilich muß sich dieser Einsatz nach der Auffassung des Kammergerichts auf das Maß des unbedingt Erforderlichen beschränken. Dies folgt aus dem Fehlen der persönlichen Unabhängigkeit eines solchen Hilfsrichters, das in Konflikt mit den Vorgaben aus Art. 97 Abs. 1 GG tritt. Ein solches zwingendes Bedürfnis für den Einsatz eines Richters am Amtsgericht als Vorsitzenden einer Kammer des Landgerichts war hier nicht zu erkennen. Der betreffende Richter hatte seine Erprobung beim Kammergericht bereits erfolgreich abgeschlossen, mußte also nicht mehr auf einer Vorsitzendenstelle des Landgerichts erprobt werden.
Das Kammergericht hob damit das landgerichtliche Urteil auf und verwies die Sache an das Landgericht zurück.
KG, Beschl. v. 14. Dezember 2017, (4) 121 Ss 127/17 (211/17)