Eine Entscheidung der Vergabekammer Berlin befasst sich mit den Anforderungen an die Festlegung der Kriterien für die Bewertung der Wirtschaftlichkeit der Angebote im Vergabeverfahren. Der Entscheidung bezieht sich auf ein Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb zur Beschaffung von Leistungen zur Einführung einer digitalen Akte für die Behörden der Berliner Verwaltung. Als Zuschlagskriterien hatte der Auftraggeber im Vergabeverfahren sowohl den Preis als auch Qualitätskriterien genannt. Mit dem Angebot war ein Kriterienkatalog einzureichen, in dem die Bieter zu erläutern hatten, wie sie bestimmte Anforderungen der Leistungsbeschreibung erfüllen würden. Der Wertung der Angebote legte der Auftraggeber einen Bewertungskatalog zugrunde, der im Grundsatz dem Kriterienkatalog entsprach, die dortigen Angaben aber um eine weitere Spalte mit Antworterwartungen des Auftraggebers enthielt. Ein Bieter, dessen Angebot nicht für den Zuschlag vorgesehen war, wandte sich mit einem Nachprüfungsantrag an die Vergabekammer und beanstandete u. a. die Bewertung der Angebote.
Der Nachprüfungsantrag hatte Erfolg. Gemäß § 127 Abs. 1 Satz 1 GWB und § 58 Abs. 1 VgV wird der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt. Zwar kann die Bewertung der Angebote von der Vergabekammer nur dahingehend überprüft werden, ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten wurde, von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen wurde, keine sachwidrigen Erwägungen für die Entscheidung verantwortlich waren und nicht gegen allgemein gültige Bewertungsgrundsätze verstoßen wurde. Dazu gehört jedoch auch die Plausibilität der Bewertung der Angebote, die ohne Benachteiligung des einen oder anderen Bieters vorgenommen worden sein muss. Nach der Auffassung der Vergabekammer fehlte es hieran, weil sich nicht habe feststellen lassen, ob die Antworterwartungen als Bewertungskriterien bereits vor Öffnung der Angebote festgelegt wurden. Dokumentiert waren die Antworterwartungen erstmals in dem Bewertungskatalog, der erst nach Abgabe und Öffnung der Erstangebote herangezogen wurde und zuvor nicht dokumentiert worden war. Eine vom Auftraggeber als Bildschirmfoto vorgelegte Excel-Datei, die bereits vor Öffnung der Angebote erstellt worden sein soll, ließ die Vergabekammer nicht als Dokumentation einer vorherigen Festlegung der Bewertungskriterien gelten, schon weil sie noch späteren Änderungen unterworfen war.
Damit konnte aus der Sicht der Vergabekammer nicht festgestellt werden, dass die Antworterwartungen bereits vor der Öffnung der Angebote feststanden. Auch handelte es sich nach dem Ergebnis der Vergabekammer bei den Antworterwartungen nicht lediglich um eine Zusammenführung ohnehin an anderer Stelle niedergelegter Bewertungskriterien, sondern, wie der Antragsgegner selbst vorbrachte, um Erwägungen, die den Bietern bei der Abfassung ihrer Angebote gerade nicht zur Verfügung stehen sollten, und somit um eigenständige Bewertungskriterien.
Damit mangelte es an einer ordnungsgemäßen Angebotswertung. Als Folge des Vergaberechtsverstoßes verpflichtete die Vergabekammer den Auftraggeber, das Vergabeverfahren in das Stadium vor Aufforderung zur Angebotsabgabe zurückzuversetzen.