In einem weiteren Urteil hat der Bundesgerichtshof bekräftigt, dass der Schadensersatzanspruch eines zu Unrecht übergangenen Bieters nicht ausgeschlossen ist, wenn der Bieter es unterlassen hat, den Verstoß gegen das Vergaberecht zu rügen oder zum Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens zu machen.
Dem Urteil lag ein Verfahren zur Vergabe der Erstellung von Lärmschutzwänden zugrunde. Der Auftraggeber schloss das erstplatzierte Angebot eines Bieters aus, weil dieses keinen Verwendbarkeitsnachweis für die angebotenen Wandelemente enthielt. Hiergegen erhob der Bieter zunächst eine Rüge, nahm diese jedoch auf Bitten des Auftraggebers zurück, um das Verfahren nicht weiter zu verzögern. Jedoch verlangte er anschließend Schadensersatz, gerichtet auf das positive Interesse.
In der Berufungsinstanz wurde der Auftraggeber antragsgemäß zum Schadensersatz verurteilt, da nicht erkennbar gewesen sei, dass der Verwendbarkeitsnachweis Bestandteil des Angebots sein musste. Der Bundesgerichtshof bestätigte letztinstanzlich die Verurteilung des Auftraggebers. Wie bereits zuvor mit Urteil vom 18. Juni 2019 (X ZR 86/17) erläuterte der Bundesgerichtshof, dass die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nicht davon abhängt, dass der Bieter einen Vergaberechtsverstoß innerhalb der Fristen von § 160 Abs. 3 GWB gerügt hat oder ein Nachprüfungsverfahren wegen des Vergaberechtsverstoßes eingeleitet hat. Eine gesetzliche Grundlage für einen solchen Ausschluss konnte der Bundesgerichtshof weiterhin nicht erkennen.
Offen ließ der Bundesgerichtshof allerdings weiterhin, ob das Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge und der Einreichung eines Nachprüfungsantrags ein Mitverschulden des Bieters gemäß § 254 BGB begründen kann, das zu einer Kürzung des Anspruchs führen kann. Einen solchen Fall hält der Bundesgerichtshof insbesondere dann für denkbar, wenn der Bieter zu erkennen gibt, eine bestimmte Beanstandung nicht aufrechterhalten zu wollen. Dafür bestand hier jedoch kein Raum, da der Bieter die Rüge nur deshalb zurückgenommen hatte, weil ihn der Auftraggeber ausdrücklich darum gebeten hatte, um den weiteren Baufortschritt nicht zu verzögern.
Für Auftraggeber bedeutet die Entscheidung einmal mehr, dass sie auch ohne Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens nicht damit rechnen können, dass begangene Vergaberechtsverstöße folgenlos bleiben. Bieter sind dennoch gut beraten, Rechtsverletzungen rechtzeitig zu rügen und ggf. zum Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens zu machen, um sich nicht dem Vorwurf des Mitverschuldens auszusetzen.