VG Berlin: Zweckentfremdungsverbot ermöglicht keine Mietobergrenzen

Das Verwaltungsgericht Berlin hat mit einem aktuellen Urteil zu den zweckentfremdungsrechtlichen Voraussetzungen für die Genehmigung des Abrisses von Wohnraum Stellung genommen und dabei die bisher in Berlin geltende Rechtslage aus verfassungsrechtlichen Gründen modifiziert.

Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 ZwVbG kann die zweckentfremdungsrechtliche Genehmigung zum Abriss von Wohnraum erteilt werden, wenn in besonderen Ausnahmefällen durch die Schaffung von angemessenem Ersatzwohnraum der durch die Zweckentfremdung eintretende Wohnraumverlust ausgeglichen wird. Dabei ist sicherzustellen, dass der Ersatzwohnraum, soweit er nicht von den Verfügungsberechtigten selbst genutzt wird, bei einer Vermietung dem Wohnungsmarkt zu angemessenen Bedingungen zur Verfügung steht (§ 3 Abs. 1 Satz 2 ZwVbG). Angemessene Bedingungen setzen Mieten voraus, die für Wohnungen der entsprechenden Art von einem durchschnittlich verdienenden Arbeitnehmerhaushalt allgemein aufgebracht werden können (§ 3 Abs. 1 Satz 3 ZwVbG). Ergänzend dazu bestimmt § 3 Abs. 4 ZwVbVO, dass für Ersatzwohnraum keine höhere Nettokaltmiete als 7,92 Euro pro Quadratmeter monatlich verlangt werden darf.

Nach dem jetzt ergangenen Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin ist § 3 Abs. 1 Satz 1 ZwVbG verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass bestimmte Mietobergrenzen keine Voraussetzung für die Erteilung der zweckentfremdungsrechtlichen Abrissgenehmigung sein können. Denn das Zweckentfremdungsverbot dient nach der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht dem Schutz von Mietern, sondern ausschließlich dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung von Wohnraum. Daher darf das Zweckentfremdungsverbot nicht dazu missbraucht werden, die Schaffung bestimmter Art von Wohnraum – z. B. Mietwohnungen statt Eigentumswohnungen oder günstiger Wohnraum statt teurem Wohnraum – zu begünstigen. Vielmehr schützt das Zweckentfremdungsverbot nach dieser Sichtweise alle Arten von Wohnraum. Für die zweckentfremdungsrechtliche Genehmigung des Abrisses in Verbindung mit der Schaffung von Ersatzwohnraum genügt es daher, wenn der Ersatzwohnraum die vom Bundesverwaltungsgericht zur bundesrechtlichen Lage herausgearbeiteten Kriterien erfüllt. Hiernach ist die Einhaltung bestimmter Mietobergrenzen gerade nicht Voraussetzung für die Anerkennung von Ersatzwohnraum.

Aus denselben Gründen hat das Verwaltungsgericht die in § 3 Abs. 4 ZwVbVO vorgesehene Mietobergrenze für neu errichteten Wohnraum als unwirksam angesehen.

Das Verwaltungsgericht hat die Berufung zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zugelassen.

VG Berlin, Urt. v. 27. August 2019, VG 6 K 452.18

 

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