Müssen verbundene Unternehmen, die sich mit jeweils einem eigenen Angebot an demselben Vergabeverfahren beteiligen, von sich aus auf die zwischen ihnen bestehende Verbindung hinweisen? Nein, hat der EuGH jetzt entschieden und damit die in Deutschland bereits vorherrschende Rechtsauffassung im Grundsatz unionsrechtlich bestätigt.
Die Voraussetzungen, unter denen sich verbundene Unternehmen an demselben Vergabeverfahren mit jeweils einem eigenen Angebot beteiligen können, haben in der Vergangenheit immer wieder für Diskussionen gesorgt. Längst ist anerkannt, daß die Verbundenheit von Unternehmen, insbesondere die Zugehörigkeit zu demselben Konzern, einer Angebotsabgabe nicht im Wege steht. Das entspricht der gefestigten Spruchpraxis der nationalen Nachprüfungsinstanzen, aber auch der Rechtsprechung des EuGH (EuGH, Urt. v. 19. Mai 2009, Rs. C-538/07, Assitur). Ebenso anerkannt ist allerdings, daß die Teilnahme von Konzernunternehmen an demselben Vergabeverfahren dem Geheimwettbewerb widersprechen und damit vergaberechtswidrig sein kann. Die Verbundenheit von Bietern kann die Eigenständigkeit der Angebotsabgabe gefährden und dazu führen, daß die verbundenen Unternehmen ihre Angebote in Kenntnis des Inhalts eines Konkurrenzangebots abgeben. Mit dem Grundsatz eines freien, von wechselseitiger Kenntnis unabhängigen Vergabewettbewerbs ist das nicht zu vereinbaren. Ob die Teilnahme verbundener Unternehmen einen solchen Wettbewerbsverstoß begründet, bedarf einer Prüfung im Einzelfall, die zugunsten, aber auch zu Lasten der verbundenen Bieter ausfallen kann. Gedanklich vorgelagert ist dieser Prüfung die Frage, ob verbundene Bieter, die sich mit einem jeweils eigenen Angebot an einem Vergabeverfahren beteiligen, den Auftraggeber von sich aus auf die zwischen ihnen bestehende Verbindung hinweisen müssen. Insbesondere das Oberlandesgericht Düsseldorf konnte in der Vergangenheit durchaus so verstanden werden (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27. Juli 2006, VII-Verg 23/06); zwischenzeitlich hat es sich allerdings gegen eine Pflicht zur ungefragten Offenbarung ausgesprochen (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17. Februar 2016, VII-Verg 41/15).
Diese Sichtweise findet nun im Grundsatz die unionsrechtliche Zustimmung des EuGH, der in einem aus Litauen stammenden Vorabentscheidungsverfahren noch nach Maßgabe der Richtlinie 2004/18/EG zu urteilen hatte. Eine anlaßlose Hinweispflicht der verbundenen Bieter lehnt der EuGH jedenfalls dann ab, wenn es keine dahingehende Verpflichtung im nationalen Recht und in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen gibt: Sie wäre nach der Auffassung des EuGH mit den Grundsätzen der Transparenz und Gleichbehandlung nicht vereinbar, weil sie für die Bieter nicht klar zu erkennen wäre. Ob der Auftraggeber eine solche Offenbarungspflicht durch eine einseitige Festlegung in zulässiger Weise begründen kann, erläutert der Gerichtshof nicht. Angesichts der Herleitung seiner Auffassung aus den genannten Grundsätzen dürfte dies jedoch aus unionsrechtlicher Sicht durchaus denkbar sein, auch wenn der EuGH gleichzeitig darauf hinweist, daß es in der Natur eines Vergabeverfahrens liegen kann, daß verbundene Unternehmen, die unabhängig voneinander agieren, nichts von der Beteiligung des jeweils anderen wissen. Aus letztgenannter Erwägung heraus hält es die nationale Rechtsprechung gerade für wettbewerbswidrig, von Bietern zu verlangen, offen zu legen, ob sich verbundene Unternehmen ebenfalls am Wettbewerb beteiligt haben (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17. Februar 2016, VII-Verg 41/15).
Ebenfalls klargestellt hat der EuGH nunmehr, daß der öffentliche Auftraggeber verpflichtet ist, Zweifeln an der Unabhängigkeit der Angebote verbundener Unternehmen nachzugehen. Er muß dann beispielsweise durch die Einholung zusätzlicher Angaben von den betroffenen Bietern prüfen, ob die zwischen den Bietern bestehende Verbindung die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Angebote beeinträchtigt hat. Zeigt sich, daß dies der Fall ist, sind die Angebote dieser Bieter zwingend auszuschließen. Hinsichtlich der Frage, wie diese Zweifel nachzuweisen sind, verweist der EuGH in das nationale Recht. Dem nationalen Recht bleibt damit überlassen, der Beteiligung verbundener Unternehmen – wie nach der nationalen Rechtsprechung (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13. April 2011, VII-Verg 4/11) – die Bedeutung einer vom Bieter zu widerlegenden Vermutung der Wettbewerbsbeeinflussung beizumessen.