Der Ausschluß von Angeboten nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV führt in der Praxis regelmäßig zu Auseinandersetzungen. Der rechtliche Rahmen ist eindeutig: Angebote, die Änderungen oder Ergänzungen an den Vergabeunterlagen enthalten, sind auszuschließen. In der Spruchpraxis der Nachprüfungsinstanzen ist seit langem geklärt, daß darunter jede Abweichung des Angebots von den Vorgaben der Vergabeunterlagen fällt, und zwar unabhängig von ihrer Qualität oder ihrem Gewicht. Der Streit dreht sich daher häufig weniger um Rechtsfragen als vielmehr darum, wie bestimmte Vorgaben des Auftraggebers zu verstehen sind und was der Bieter tatsächlich angeboten hat.
Das stand auch bei dieser Entscheidung der Vergabekammer Baden-Württemberg im Streit. Der Auftraggeber hatte Sachverständigentätigkeiten gemäß § 20 AtG in Aufsichtsverfahren über Kernkraftwerke und atomare Zwischenlager ausgeschrieben. Hierfür war in mehreren Losen jeweils ein in den Vergabeunterlagen als solcher bezeichneter „Stundensatz“ anzubieten. Ein Bieter trug in das jeweilige Feld in einem Fall drei und in einem anderen Fall zwei unterschiedliche Stundensätze ein, und zwar offenbar auch noch ohne zu erläutern, wann welcher Stundensatz gelten soll. Sein Nachprüfungsantrag gegen den Ausschluß seines Angebots blieb erfolglos: Nach der Auffassung der Vergabekammer war in den Vergabeunterlagen eindeutig vorgegeben, daß jeweils lediglich ein einziger Stundensatz – und nicht etwa mehrere Stundensätze – anzugeben waren. Daß ein Angebot des Bieters bei einer vorangegangenen Ausschreibung, das er in vergleichbarer Weise abgegeben hatte, anscheinend akzeptiert worden war, ändere daran nichts. Der Antragsteller versuchte noch, sich auf die Größe des zur Ausfüllung vorgesehenen Kästchens im Angebotsschreiben zu berufen, in das man hätte mehrere Werte eintragen können, doch auch dieses Argument ließ die Vergabekammer nicht gelten. Neben dem Ausschlußgrund nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV war damit auch der Ausschlußgrund nach § 57 Abs. 1 Nr. 5 VgV erfüllt, da das Angebot nicht alle geforderten Preisangaben enthielt. Bei einer Annahme des Angebots wäre wohl auch nicht klar gewesen, welcher Preis tatsächlich geschuldet gewesen wäre.
Das Nachprüfungsverfahren dürfte reichlich überflüssig gewesen sein. Bei einer genauen Lektüre der Vergabeunterlagen hätte der Bieter sicherlich ohne weiteres erkennen können, daß lediglich nach einem Stundensatz und nicht etwa nach mehreren Stundensätzen gefragt war. Die Entscheidung belegt wieder einmal, daß Sorgfalt beim Umgang mit den Vergabeunterlagen auch für Bieter unerläßlich ist.