OLG Düsseldorf: Ex-ante-Transparenz hilft bei De-facto-Vergaben nicht immer

Mit der Vergaberechtsreform 2016 hat der nationale Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen, durch eine Ex-ante-Bekanntmachung die Unwirksamkeitsfolge einer unzulässigen De-facto-Vergabe zu verhindern. § 135 Abs. 3 Satz 1 GWB bestimmt hierzu, daß ein in unzulässiger Weise ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb geschlossener Vertrag nicht unwirksam ist, wenn der öffentliche Auftraggeber (1.) der Ansicht ist, daß die Auftragsvergabe ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung zulässig ist, (2.) vor dem Zuschlag eine Bekanntmachung veröffentlicht hat und (3.) den Zuschlag nicht vor Ablauf einer Frist von zehn Kalendertagen nach Bekanntmachung erteilt hat. Die Regelung geht zurück auf Art. 2d Abs. 4 der RL 89/665/EWG i. d. F. d. RL 2007/66/EG, wonach es den Mitgliedstaaten (jedenfalls aus der Sicht des EuGH in der Fastweb-II-Entscheidung [Urt. v. 11. September 2014, Rs. C-19/13]) verwehrt ist, in diesen Fällen die Unwirksamkeitsfolge an die De-facto-Vergabe zu knüpfen. Während die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ex-ante-Bekanntmachung und der Einhaltung der Wartefrist regelmäßig leicht überprüfbar sind, ist das erste Kriterium, das Für-zulässig-Halten der De-facto-Vergabe, nur schwer faßbar. Der EuGH hat hierzu in der Fastweb-II-Entscheidung bereits festgehalten, daß das Merkmal jedenfalls erfordert, daß der Auftraggeber sorgfältig gehandelt hat und tatsächlich annehmen durfte, daß der Auftrag außerhalb des Wettbewerbs vergeben werden durfte.

In seinem Beschluß vom 12. Juli 2017 (VII-Verg 13/17) konkretisiert das OLG Düsseldorf diese Anforderungen und verlangt, daß die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers in sachlicher und rechtlicher Hinsicht vertretbar sein muß. Dies soll verhindern, daß der öffentliche Auftraggeber wider besseres Wissen einen Auftrag ohne Aufruf zum Wettbewerb vergibt oder sich der richtigen Erkenntnis bewußt verschließt. Der vom OLG Düsseldorf entschiedene Fall betraf den Abschluß eines Rahmenvertrags über die Lieferung von Systemen zur Leberunterstützungstherapie, den die Auftraggeberin im Wege eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb vergeben hatte. Sie berief sich hierfür aus das Fehlen von Wettbewerb aus technischen Gründen, was aus ihrer Sicht gemäß § 14 Abs. 4 Nr. 2 b) i. V. m. Abs. 6 VgV die Vergabe im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb rechtfertigte. Tatsächlich stand aber nicht fest, daß die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren und Konkurrentin der Zuschlagsempfängerin den Vertrag nicht hätte ebenfalls erfüllen könnten. Die Auftraggeberin hatte insoweit lediglich unterstellt, daß dieses Unternehmen nur ungeeignete Gebrauchtgeräte liefern konnte, ohne in Erwägung zu ziehen, daß auch der Einsatz von Neugeräten in Frage kam. Eine überdies von der Auftraggeberin angenommene rechtliche Unmöglichkeit der Vertragserfüllung durch die Antragstellerin ließ sich ebenfalls im Nachprüfungsverfahren nicht belegen, da die Antragstellerin das aus der Sicht der Auftraggeberin erforderliche Konformitätsbewertungsverfahrens nach § 10 Abs. 2 MPG zwar vorab nicht absolviert hatte, es aber noch während des Vergabeverfahrens hätte durchführen können. Vor diesem Hintergrund hielt das OLG Düsseldorf die Entscheidung der Auftraggeberin, den Auftrag ohne Wettbewerb zu vergeben, nach den dargestellten Maßstäben nicht für vertretbar. Trotz einer Ex-ante-Bekanntmachung des Auftrags verneinte das OLG Düsseldorf damit das Vorliegen der Ausnahme nach § 135 Abs. 3 Satz 1 GWB und gelangte wie bereits zuvor die Vergabekammer Westfalen zur Unwirksamkeit des Auftrags.

Die Schaffung von Ex-ante-Transparenz hilft damit keineswegs immer, um in Grenzfällen Rechtssicherheit über den Zuschlag zu erreichen. Hat der Auftraggeber selbst Zweifel, ob ein Auftrag de facto vergeben werden darf, ist das vom OLG Düsseldorf aufgestellte Vertretbarkeitserfordernis bereits nicht mehr erfüllbar. Gleiches gilt dann, wenn der Auftraggeber zwar der Überzeugung ist, vergaberechtskonform zu handeln, sein Handeln allerdings in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht sorgfältig genug überprüft hat. Fehler in der Ermittlung des Sachverhalts und des rechtlichen Rahmens gehen ebenso wie die Nichterweislichkeit der Grundlagen seiner Entscheidungsfindung zu seinen Lasten.

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12. Juli 2017, VII-Verg 13/17

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