Mit seinem Urteil vom 19. Oktober 2016 in der Rechtssache C-148/15 (Deutsche Parkinson-Vereinigung e. V. gegen Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e. V.) hat der EuGH die Unvereinbarkeit der deutschen Arzneimittelpreisbindung mit der Warenverkehrsfreiheit des EU-Rechts festgestellt. Gegenstand der Entscheidung ist § 78 des Arzneimittelgesetzes (AMG), der einen einheitlichen Apothekenabgabepreis v. a. für apothekenpflichtige Arzneimittel verlangt. Konkretisiert wird diese Vorgabe durch die Bestimmungen der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV). Durch diese Regelungen wird erreicht, daß Arzneimittel deutschlandweit in allen Apotheken zu demselben Preis verkauft werden. Unzulässig sind insbesondere Rabatte auf verschreibungspflichtige Arzneimittel, sogenannte Rx-Boni. Insbesondere ausländische Versandapotheken versuchen seit langem, sich durch Gewährung derartiger Boni einen Wettbewerbsvorteil gegenüber stationären Apotheken zu verschaffen. Auch der konkreten Entscheidung des EuGH liegt ein solcher Fall zugrunde: Gegenstand der Entscheidung ist ein Vorabentscheidungsersuchen des OLG Düsseldorf, das über die arzneimittelpreisrechtliche Zulässigkeit von Preisnachlässen zu entscheiden hat, die die niederländische Versandapotheke Doc Morris den Mitgliedern der Deutschen Parkinson-Vereinigung gewähren will. Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e. V. hatte dies vor den Zivilgerichten als wettbewerbswidrig beanstandet.
Europarechtlich ist die Arzneimittelpreisbindung mangels Harmonisierung allein an den Grundfreiheiten des AEUV zu messen. Nach der Auffassung des Gerichtshofs, der sich damit den Schlußanträgen des Generalanwalts Maciej Szpunar anschließt, sind die dahingehenden Bestimmungen des deutschen Arzneimittelrechts mit der Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 34 AEUV nicht vereinbar. Der EuGH hält die Vorgabe eines einheitlichen Abgabepreises nach den Maßstäben der Dassonville-Rechtsprechung des EuGH für eine Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung, so daß der Anwendungsbereich der Warenverkehrsfreiheit eröffnet ist. Eine solche Maßnahme gleicher Wirkung kann zwar nach Art. 36 AEUV u. a. durch den Schutz der Gesundheit und des menschlichen Lebens gerechtfertigt werden. Eine derartige Rechtfertigung kommt nach der Auffassung des EuGH allerdings nicht in Betracht, schon weil die Maßnahme nicht geeignet ist, der öffentlichen Gesundheit zu dienen. Insbesondere hält es der Gerichtshof für nicht erwiesen, daß die Vorgabe einheitlicher Arzneimittelpreise, wie von der Bundesregierung vorgebracht, eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln ermöglicht. Auch für einen ruinösen Preiswettbewerb, der bei Abschaffung der Arzneimittelpreisbindung entstehen könnte, fehlt nach der Auffassung des EuGH ein hinreichender Nachweis. Wie der nationale Gesetzgeber mit dieser Entscheidung und ihren weitreichenden Konsequenzen für den Arzneimittelmarkt in Deutschland umgeht, bleibt abzuwarten.