Die seit längerer Zeit kontrovers diskutierte Frage, ob der Prüfingenieur für Standsicherheit gegenüber dem Bauherrn auf vertraglicher Grundlage haftet, hat der Bundesgerichtshof nun zugunsten einer umfassenden vertraglichen Haftung beantwortet. Dem Verfahren lag die Schadensersatzklage eines Bauherrn zugrunde, dessen Neubau nach seinem Vortrag u. a. auf Grund einer fehlerhaften Planung nicht standsicher war und dadurch Schäden erlitten hatte. Der Bundesgerichtshof mußte sich dabei zunächst mit der Frage befassen, ob der Prüfingenieur in Ausübung eines öffentliches Amtes i. S. v. § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. Art. 34 Satz 1 GG tätig wird. Wird dies bejaht, so schließt dies die persönliche Haftung des Handelnden aus. Vielmehr ordnet das Amtshaftungsrecht dann die Überleitung der Haftung auf die öffentliche Hand an und befreit den Amtsträger von gegen ihn gerichteten Ansprüchen. Gerade im Bereich des Sachverständigenwesens ist die Frage, wer Amtsträger ist, jedoch vielfach nicht eindeutig zu beantworten. Nach den Grundsätzen, die die Rechtsprechung dafür aufgestellt hat, kommt es darauf an, ob die Zielsetzung, in deren Sinne der jeweils Handelnde tätig wird, hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist und ob zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang besteht, daß die Handlung ebenfalls als noch dem Bereich hoheitlicher Betätigung angehörend angesehen werden muß. Für die Tätigkeit des Prüfingenieurs für Standsicherheit hat dies der Bundesgerichtshof nun auf der Grundlage der Vorschriften des hessischen Bauordnungsrechts verneint. Maßgeblich hierfür ist nach der Auffassung des Bundesgerichtshofs die Privatisierung des Baugenehmigungsverfahrens. Diese führt dazu, daß die Tätigkeit des Prüfingenieurs nicht mehr als Bestandteil der hoheitlichen Tätigkeit der Bauaufsichtsbehörde angesehen werden kann. Sowohl die Vorlage von bautechnischen Nachweisen, z. B. des Standsicherheitsnachweises, als auch die Bescheinigung der mit der Baugenehmigung übereinstimmenden Bauausführung übernimmt der Prüfingenieur lediglich im Pflichtenkreis des Bauherrn. Denn dieser hat die Pflicht, die entsprechenden Vorgaben in eigener Verantwortung zu erfüllen. Dies entspricht zudem im hiesigen Fall noch nicht anwendbaren Regelung in § 2 Abs. 2 Satz 1 2. Hs. der Hessischen Verordnung über Prüfberechtigte und Prüfsachverständige und Zuständigkeiten nach der Hessischen Bauordnung (HPPVO), die vorsieht, daß Prüfsachverständige keine hoheitlichen bauaufsichtlichen Prüfaufgaben wahrnehmen.
Ausgehend hiervon ist eine vertragliche Haftung des Prüfingenieurs dem Grunde nach zu bejahen, da eine Überleitung der Ansprüche auf die öffentliche Hand nach den Regeln des Amtshaftungsrechts nicht in Frage kommt. Als Folgefrage mußte der Bundesgerichtshof sodann beantworten, ob der Vertrag, der zwischen dem Bauherrn und dem Prüfingenieur geschlossen wird, auch die Verpflichtung enthält, im Interesse des Bauherrn die Ordnungsmäßigkeit der statischen Berechnung zu prüfen. Auch dies bejaht der Bundesgerichtshof: Hiernach ist das Vertragsverhältnis zwischen dem Bauherrn und dem Prüfingenieur nicht allein darauf gerichtet, daß der Prüfingenieur eine Bescheinigung erstellt, die der Bauherr der Bauaufsichtsbehörde vorlegen kann. Vielmehr gehört es nach der objektiven Interessenlage der Parteien auch zum Inhalt des Vertrages, den Bauherrn vor Schäden zu bewahren, die durch eine fehlerhafte Baustatik verursacht werden.
Im Ergebnis bedeutet dies eine weitreichende Haftung des Prüfingenieurs für Fehler, die im Rahmen seiner Prüftätigkeit begangen werden. Da die für die Entscheidung maßgeblichen landesrechtlichen Bestimmungen des Bauordnungsrechts in den Bauordnungen der Länder überwiegend ähnlich formuliert sind, dürfte die Entscheidung auch auf die Rechtslage in anderen Ländern übertragbar sein.
BGH, Urt. v. 31. März 2016, III ZR 70/15