VK Bund zur Open-house-Ausschreibung von Rabattverträgen bei indikationsbezogenem Patentschutz

Mehrere Krankenkassen schrieben den Abschluß von Rabattverträgen nach § 130a Abs. 8 Satz 1 SGB V im Open-house-Modell aus. Gegenstand der Rabattverträge waren Arzneimittel eines Wirkstoffs, für den ein indikationsbezogener Patentschutz besteht, der also für bestimmte Indikationen von einem Schutzrecht umfasst wird, für andere Indikationen jedoch patentfrei ist. Für die jeweiligen Indikationen gaben die Krankenkassen unterschiedliche Rabattsätze vor. Eine Beitritt zum Vertrag war nur möglich, wenn der jeweilige pharmazeutische Unternehmer sein Präparat insgesamt den Konditionen des Rabattvertrags unterwarf.

Nachdem die Krankenkassen bereits mehrere Open-house-Verträge mit pharmazeutischen Unternehmern, die den Wirkstoff als Generikum in den Verkehr bringen, geschlossen hatten, wandte sich die Inhaberin des Patents mit einem Nachprüfungsantrag gegen das Open-house-Verfahren. Sie machte geltend, daß die Voraussetzungen für ein vergaberechtsfreies Open-house-Modell nicht vorlägen, da den interessierten Unternehmen kein jederzeitiges Beitrittsrecht zustehe. Vielmehr könnten sich Generikahersteller nicht an dem Vertrag beteiligen, da sie auf Grund der zu erwartenden wilden Substitution über die Indikationsgrenzen hinweg Gefahr liefen, eine mittelbare Patentverletzung zu begehen. Zudem werde sie als Patentinhaberin durch die Vertragsbedingungen diskriminiert, da sie bei einer Teilnahme ihr Präparat auch für die patentgeschützte Indikation rabattieren müsse.

Vor der 2. Vergabekammer des Bundes hatte der Nachprüfungsantrag Erfolg. Die Vergabekammer stufte die ausgeschriebenen Rabattverträge nicht als vergaberechtsfreies Zulassungssystem nach dem Open-house-Modell ein. Nach der Rechtsprechung des EuGH setzt die Vergaberechtsfreiheit von Open-house-Verträgen u. a. voraus, daß allen Marktteilnehmern ein offener Zugang zu dem Vertrag zu gleichen Bedingungen gewährt werden muß (EuGH, Urt. v. 2. Juni 2016, Rs. C-410/14). Daran fehlt es hier nach der Auffassung der Vergabekammer für die Antragstellerin als Patentinhaberin. Auf Grund der Vorgabe zwingender Rabattsätze sowohl für den patentgeschützten als auch für den patentfreien Indikationsbereich muß die Antragstellerin bei einer Teilnahme an dem Vertrag ihr Präparat zwingend auch für den patentgeschützten Bereich rabattieren. Generikahersteller, die den Wirkstoff nur für den patentfreien Indikationsbereich in den Verkehr bringen, müssen dies nicht. Mangelt es damit an einer gleichen Zugangsmöglichkeit, liegt kein zulassungsbasiertes Vertragsmodell vor, und der Abschluss der Rabattverträge unterfällt insgesamt als Vergabe öffentlicher Aufträge dem Vergaberecht. Die bereits geschlossenen Verträge nach § 130a Abs. 8 Satz 1 SGB V waren damit nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB auf Grund einer unzulässigen De-facto-Vergabe ohne vorherige Veröffentlichung für unwirksam zu erklären.

Die Entscheidung liegt auf der Linie der bisherigen Spruchpraxis der Nachprüfungsinstanzen zum Open-house-Modell und zum Abschluß von Rabattvereinbarungen bei indikationsbezogenem Patentschutz. Wie das Oberlandesgericht Düsseldorf bereits erläutert hat, kann eine indikationsübergreifende Ausschreibung von Rabattverträgen bei gleichzeitigem indikationsbezogenem Patentschutz dazu führen, daß Generikaanbieter mangels Eignung nicht für einen Vertragsschluß in Betracht kommen, da sie den Vertrag nicht unter Wahrung des bestehenden Patentschutzes erfüllen können (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1. Dezember 2015, VII-Verg 20/15). Der öffentliche Auftraggeber kann dem daraus folgenden Vergaberechtsverstoß jedoch insbesondere dadurch entgehen, daß er in Abhängigkeit von dem Bestehen eines Patentschutzes Fachlose bildet (dazu Conrad, NZS 2016, S. 687). Dies hatten die Krankenkassen hier unterlassen, da sie die gleichzeitige Rabattierung des Wirkstoffs für die patentgeschützte und für die patentfreie Indikation forderten.

VK Bund, Beschl. v. 6. Februar 2017, VK 2-6/17

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