Das OVG Berlin-Brandenburg befasst sich in einer aktuellen Entscheidung mit der planungsrechtlichen Zulässigkeit eines sog. Boardinghouses in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet. Gegenstand der Entscheidung war die Errichtung eines dreigeschossigen Boardinghouses mit 49 Appartements und Tiefgarage in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet. Das Angebot des Boardinghouses sollte sich u. a. an Geschäftsreisende, Außendienstmitarbeiter und Montagearbeiter richten. Diesen sollten zeitlich beschränkte Mietverträge angeboten werden. Die einzelnen Appartements sollten mit Küchen, Badezimmern und Möblierung ausgestattet werden.
Die Eigentümer eines Nachbargrundstücks, auf dem sich ein Wohnhaus mit einer Druckerei befand, wandten sich mit einem Widerspruch gegen die dem Bauherrn durch das Bezirksamt Treptow-Köpenick von Berlin erteilte Baugenehmigung. Im Eilverfahren ordnete das Verwaltungsgericht Berlin zunächst die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Baugenehmigung an. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Bezirksamts und des Bauherrn hatte vor dem OVG Berlin-Brandenburg Erfolg.
Hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung hatte das OVG Berlin-Brandenburg keine Bedenken gegen die Zulässigkeit des Boardinghouses. Diese beurteilte sich hier nach § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 4 BauNVO, da das Gericht die nähere Umgebung als faktisches allgemeines Wohngebiet einstufte. Gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 1 und 2 BauNVO sind im allgemeinen Wohngebiet ausnahmsweise Betriebe des Beherbergungsgewerbes und sonstige nicht störende Gewerbebetriebe zulässig. Das Boardinghouse konnte daher grds. im Wege der Ausnahme zugelassen werden. Das Gericht sah auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das hier konkret geplante Boardinghouse gebietsunverträglich sein könnte. Insbesondere sei die Nutzung wohnähnlich und füge sich daher in den Gebietscharakter des allgemeinen Wohngebiets ein. Dafür spräche insbesondere die Ausstattung der Appartements, die eine selbstbestimmte Haushaltsführung auf Zeit ermögliche. Auch auf Grund des Fehlens von Gemeinschaftseinrichtungen und hoteltypischer Dienstleistungen sei die Nutzung eher dem Wohnen als einem Hotelbetrieb angenähert. Störende Beeinträchtigungen, die von dem Boardinghouse ausgehen könnten, vermochte das Gericht ebenfalls nicht zu erkennen.
Hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung sah das Gericht gleichfalls keine Verletzung von Nachbarrechten. Insbesondere hielt es den Baukörper auf Grund seiner konkreten Gestalt – anders als zuvor noch das Verwaltungsgericht – nicht für rücksichtslos.
Die Entscheidung ist vor dem Hintergrund der Ausnahmeregelungen in § 4 Abs. 3 Nr. 1 und 2 BauNVO nicht überraschend. Nicht entscheidungserheblich war allerdings die häufig schwierig zu beurteilende Frage der Abgrenzung zwischen einer Wohnnutzung und einer gewerblichen Nutzung bei wohnungsähnlichen Unterbringungskonzepten.
OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22. Dezember 2020, OVG 10 S 65/20