Das OLG Schleswig befasst sich in einer aktuellen Entscheidung mit der Reichweite der Rügeobliegenheit in Vergabeverfahren gemäß § 160 Abs. 3 GWB. Gegenstand der Entscheidung ist ein Vergabeverfahren zur Beschaffung der Leitstellentechnik für eine integrierte Leitstelle des Rettungsdienstes. Bestandteil der Vergabeunterlagen war auch eine Vertraulichkeitsvereinbarung, der die Bieter zustimmen mussten und die insbesondere vorgab, dass Informationen aus dem Vergabeverfahren nicht an Dritte weitergegeben werden durften. Ein Unternehmen beteiligte sich an dem Vergabeverfahren und wandte sich mit einem Nachprüfungsantrag gegen die Entscheidung des Auftraggebers, den Zuschlag auf das Angebot eines Konkurrenten zu erteilen. Im Nachprüfungsverfahren machte der Auftraggeber u. a. geltend, dass die Bieterin gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB und gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 9 lit. c) GWB aus dem Verfahren auszuschließen sei, da sie Unterlagen aus dem Vergabeverfahren an ein Beratungsunternehmen weitergegeben habe und daher gegen die Vertraulichkeitsvereinbarung verstoßen habe.
Im Beschwerdeverfahren vor dem OLG Schleswig blieb die dahingehende Argumentation des Auftraggebers ohne Erfolg. Das OLG Schleswig stufte die Vertraulichkeitsvereinbarung gemäß § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB als unwirksam ein, weil sie wesentliche Rechte der Bieter einschränke. Insbesondere sei die Weitergabe von Informationen aus dem Vergabeverfahren durch die Bieter nach der Vereinbarung bereits dann untersagt, wenn diese Weitergabe für die Bieter zur Teilnahme am Verfahren, etwa an Lieferanten und Nachunternehmer, erforderlich oder die Weitergabe an zur beruflichen Verschwiegenheit verpflichtete Berater, etwa Rechtsanwälte, zur Wahrung der Interessen der Bieter geboten sei. Das sei unangemessen.
Dass die Antragstellerin einen Verstoß der Vertraulichkeitsvereinbarung gegen AGB-Recht nicht gemäß § 160 Abs. 3 GWB gerügt hatte, hielt das Gericht für unbeachtlich. Denn die Rügeobliegenheit beziehe sich nur auf Verstöße gegen Vergabevorschriften, worum es sich bei dem hier betroffenen Verstoß gegen AGB-Recht nicht handele.
Die Entscheidung schränkt die Rügeobliegenheit des Bieters in Vergabeverfahren im Grenzbereich von Vergaberecht und Vertragsrecht ein. Es unterliegen somit nur Verstöße gegen Vergabevorschriften i. S. v. § 97 Abs. 6 GWB der Rügeobliegenheit. Dies kann insbesondere dann relevant werden, wenn Auftraggeber wie im hier entschiedenen Fall in den Vergabeunterlagen AGB-rechtswidrige Vorgaben machen.