In einer aktuellen Entscheidung befasst sich der EuGH mit den Anforderungen an den Ausschluss wegen einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung gemäß Art. 57 Abs. 4 UAbs. 1 lit. d) RL 2014/24/EU. Das Urteil geht zurück auf ein Vorabentscheidungsersuchen des Bayerischen Obersten Landesgerichts, das in einem Nachprüfungsverfahren betreffend die Vergabe von Verkehrsleistungen im Omnibusverkehr ergangen war. Das vorlegende Gericht wollte insbesondere wissen, ob ein Ausschluss gemäß Art. 57 Abs. 4 UAbs. 1 Lit. d) RL 2014/24/EU voraussetzt, dass der öffentliche Auftraggeber über hinreichend plausible Anhaltspunkte für einen Verstoß der Wirtschaftsteilnehmer gegen Art. 101 AEUV verfügen muss.
Im deutschen Recht wird dieser Ausschlusstatbestand, der sich auf wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen bezieht und sich in § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB wiederfindet, ausgehend vom Wortlaut der Umsetzungsnorm üblicherweise in Anlehnung an § 1 GWB und Art. 101 AEUV ausgelegt. Der EuGH versteht die Regelung allerdings weiter und erläutert, dass der Ausschlussgrund auf die Zuverlässigkeit des Bieters ausgerichtet ist und daher über die vom Kartellverbot umfassten Tätigkeiten hinausgeht. Im konkreten Fall stand inmitten, dass sich zwei verbundene Unternehmen mit jeweils einem eigenen Angebot an dem Vergabeverfahren beteiligt hatten. Kartellrechtlich kann dies unschädlich sein, wenn beide Unternehmen als wirtschaftliche Einheit gelten, so dass das Kartellverbot gemäß § 1 GWB und Art. 101 AEUV auf sie keine Anwendung findet. Anders hingegen, so jetzt der EuGH, im Rahmen von Art. 57 Abs. 4 UAbs. 1 lit. d) RL 2014/24/EU: Hier kann jede Verletzung von Wettbewerbsregeln tatbestandsmäßig sein, und zwar auch dann, wenn die Schwelle zu einer kartellrechtlich verbotenen Verhaltensweise noch nicht erreicht wird. Ob die im konkreten Fall betroffenen, eng verflochtenen Unternehmen überhaupt untereinander eine Vereinbarung treffen konnten, ist vom vorlegenden Gericht zu prüfen. Allein mit der fehlenden Kartellrechtsrelevanz kann ein Ausschluss jedoch in einem solchen Fall nach der jetzigen Entscheidung des EuGH nicht verneint werden.