Ein aktuelles Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zeigt die Grenzen der Meinungsäußerungsfreiheit von Beamten auf. Es behandelt einen Fall, der in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht getrost als ungewöhnlich bezeichnet werden kann.
Die Entscheidung betrifft einen hochrangigen Beamten des Bundesnachrichtendienstes (BND), der eine Außenstelle des BND leitete. Auf Grund von Informationen des Militärischen Abschirmdienstes, der in derselben Liegenschaft wie die BND-Außenstelle tätig war, geriet der Beamte in den Verdacht, wegen des bevorstehenden „Untergangs“ der Bundesrepublik Deutschland eine paramilitärische Gruppe gegründet zu haben und zu diesem Zweck bereits kistenweise Waffen gehortet und vergraben zu haben. In dem deswegen gegen den Beamten von Staatsanwaltschaft und Polizei geführten strafprozessualen Ermittlungsverfahren wurden praktisch alle Register gezogen, die die StPO kennt: Hausdurchsuchungen, Überwachung des Post-, Telefon- und E-Mail-Verkehrs, Kontrolle der Bankkonten und persönliche Observation durch Peilsender. Der ganze Aufwand war allerdings vergebens, da sich der Verdacht nicht bestätigte und das Ermittlungsverfahren keinen Hinweis auf ein strafbares Verhalten des Beamten zutage fördern konnte. Übrig blieben lediglich Petitessen im Vergleich zu dem ursprünglichen Verdacht, wegen derer der Beamte allerdings disziplinarisch belangt wurde. Es waren dies im wesentlichen die Vorwürfe, sich als Reserveoffizier ohne vorherige Absprache mit dem BND zu Wehrübungen der Bundeswehr, u. a. in Afghanistan, gemeldet zu haben und außerdem sich als Vorgesetzter mehrfach und über einen längeren Zeitraum hinweg abfällig über die Bundesregierung und den Bundespräsidenten geäußert zu haben.
Die Klage des Beamten gegen die Disziplinarverfügung, für die das Bundesverwaltungsgericht erst- und letztinstanzlich zuständig war, hatte überwiegend Erfolg. Der erstgenannte Vorwurf, die nicht mit dem Dienstherrn abgestimmte Meldung zu Wehrübungen, war beamtenrechtlich einfach in den Griff zu bekommen. Der Beamte verstieß damit gegen die eindeutige Weisungslage im BND, was ihm auch bewußt war und vom Bundesverwaltungsgericht als mittelschweres Dienstvergehen eingestuft wurde. Wesentlich komplexer war hingegen die Frage, ob auch in den abfälligen Äußerungen über Politiker ein Dienstvergehen erblickt werden konnte. An konkreten Begebenheiten konnte dazu festgestellt werden, daß der Beamte gegenüber seinen Mitarbeitern regelmäßig, z. B. in der Frühstückspause, seine negative Meinung über den Bundespräsidenten und die Bundesregierung sowie deren Politik kundgetan hatte. Außerdem hatte er ein Porträt des damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff, das im Gemeinschaftsraum der Dienststelle hing, abgehängt und zunächst in die Teeküche gestellt. Nachdem es von einem Mitarbeiter wieder im Gemeinschaftsraum aufgehängt worden war, hatte es der Beamte erneut abgenommen und in die Abstellkammer der Dienststelle verbracht.
Das Bundesverwaltungsgericht erblickte in den abfälligen Äußerungen im Mitarbeiterkreis noch kein Dienstvergehen, wohl aber in dem Abhängen des Präsidentenkonterfeis. Zu klären war dabei insbesondere, ob der Beamte mit diesen Verhaltensweisen bereits die Grenze zu einem Verstoß gegen das Gebot der Mäßigung und Zurückhaltung überschritten hatte (§ 60 Abs. 2 BBG) oder noch im Rahmen der ihm zustehenden Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) gehandelt hatte. Anerkannt ist, daß auch die dienstliche Stellung eines Beamten ihn nicht aus dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit ausnimmt. Insbesondere in privaten Unterhaltungen auch im Kollegenkreis steht es ihm daher frei, seine politische Meinung zu äußern. Begrenzt wird diese Freiheit allerdings nach den jetzigen Überlegungen des Bundesverwaltungsgerichts dann, wenn Dienstbetrieb und die ordnungsgemäße Erledigung der Amtsgeschäfte beeinträchtigt werden. Insoweit setzt Art. 33 Abs. 5 GG der Meinungsfreiheit des Beamten eine verfassungsimmanente Grenze. Daß diese Grenze überschritten worden wäre, ließ sich freilich für die hier betroffenen Äußerungen des Beamten nicht feststellen. Diese waren stets während freiwilliger Zusammenkünfte der Mitarbeiter, insbesondere in Pausenzeiten, gefallen, und es war nicht zu erkennen, daß die kollegiale Zusammenarbeit in der Dienststelle durch die Meinungsäußerungen beeinträchtigt worden wäre. Ein Recht des einzelnen Bediensteten, von der Äußerung privater politischer Ansichten seiner Kollegen oder Vorgesetzten verschont zu bleiben, gibt es nach der Auffassung des Gerichts nicht.
Anders beurteilte das Bundesverwaltungsgericht hingegen das Abhängen des Porträts des Bundespräsidenten. Zwar bestand keine Weisung dahingehend, daß in der Dienststelle zwingend ein Bild des Präsidenten hängen müsse. Die Entscheidung darüber, ob der Bundespräsident die Diensträume schmücken solle, oblag vielmehr dem jeweiligen Dienststellenleiter und damit gerade dem hier betroffenen Beamten. Das konkrete Bild hatte ein anderer Mitarbeiter wohl aus eigener Motivation im Gemeinschaftsraum der Dienststelle aufgehängt. Gleichwohl hat der Vorgesetzte nach der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts durch das Entfernen des Porträts und das Ablegen in der Teeküche bzw. in der Abstellkammer jedenfalls den Anschein erweckt, das Verfassungsorgan des Bundespräsidenten nicht mehr hinreichend zu respektieren, sondern seine Achtung vor dem Dienstherrn und seinen Organen von seiner eigenen politischen Auffassung abhängig zu machen. Darin erkannte das Bundesverwaltungsgericht eine Dienstpflichtverletzung, die mit einer Kürzung der Dienstbezüge geahndet wurde.
Für den Beamten ging das Verfahren damit angesichts der ursprünglich im Raum stehenden Vorwürfe einigermaßen glimpflich aus. Daß die Entscheidung dennoch genügend Fragen aufwirft, über die auch das BVerfG oder der EGMR entscheiden könnten, liegt auf der Hand.